Rezension zu "Die Gabe" von Naomi Alderman
Die Grundidee, was eine plötzlich und weltweit eintretende sehr starke körperliche Überlegenheit der Frauen, mit den Menschen und Gesellschaften macht, ist faszinierend.
Die Grundidee, was eine plötzlich und weltweit eintretende sehr starke körperliche Überlegenheit der Frauen, mit den Menschen und Gesellschaften macht, ist faszinierend.
Unsere Welt ist im Wandel. Ob durch die Natur absichtlich etwas Neues geschaffen wird, der Mensch selbst darauf Einfluss hat oder ob es einfach Zufall ist. Hier jedoch, sind die strengen Hierarchien unserer Gesellschaft der Grundpfeiler dieser Geschichte. Irgendwann ist es passiert. Ein kleines junges Mädchen, gerade mitten in der Pubertät, hat plötzlich etwas, was andere nicht haben. Sie entdeckt, dass durch ihre Berührung andere verletzt werden können. Ein Stromschlag, welcher anfänglich noch harmlos daherkommt, entwickelt sich beim richtigen Training zu einer echten Waffe. Doch sie ist nicht das einzige Mädchen. Überall auf der Erde geschehen plötzlich diese wundersamen Zwischenfälle. Ist es eine Krankheit? Kann man es heilen? Ist es ansteckend? Betrifft es nur Mädchen oder auch erwachsene Frauen? Die Geschichte wird aus der Sicht von verschiedenen Frauen und einem Reporter erzählt.
Die Frauen, meist Jugendliche, haben viel Schlimmes durch Männer in ihrem kurzen Leben erfahren. Von sexueller Belästigung, Schlägen, Misshandlungen, Vergewaltigungen und noch einiges mehr. Das hier der Hass auf das andere Geschlecht unsagbar hoch ist, kann man sich sehr gut vorstellen. Es gibt auch eine Bürgermeisterin, welche anfänglich noch rational mitdenkt. Denn die Welt ist ab jetzt im Wandel. Überall dort, wo Frauen nicht beachtet, unterdrückt und ausgebeutet wurden, brodelt es. Die Strukturen der Länder fangen an zu brechen. Ein Beispiel ist Saudi-Arabien, wo der König schon wenige Wochen nach den ersten Ereignissen ins Exil flieht, weil er um sein Leben fürchten muss. Die Gabe wird auch immer faszinierender. Neben dem einfachen Stromstoß, gibt es fliegende Blitze oder Wunder, die nicht einmal die Medizin vollbringen kann. Es entsteht auch eine eigene Religion, um eine erst einfache und später so einflussreiche Frau, dass sie im Handumdrehen neue Anhängerinnen gewinnt.
Es gibt geheime Kulte, besondere Drogen, welche die Gabe verstärken oder schon fast männerfreie Städte. Was mit einfachem Widerstand begann, zündet den Beginn der Revolution. Männer sterben, ohne dass noch groß nach der Ursache gefragt wird und der Grad an Brutalität ist zum Teil schon mehr als ekelerregend. Ist es wirklich das beste, Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Kann das der Weg sein, um etwas Neues aufzubauen oder besser zu sein als die Peiniger? Sind alle Männer wirklich gleich und müssen gleich behandelt werden? Naomi Alderman macht es sich für meinen Geschmack doch etwas zu einfach. Mit reißerischen Rache-Szenen will sie der Geschichte Härte beibringen, auch wenn die Hintergründe dafür nachvollziehbar traurig sind. Nicht jeder übt Gewalt und nicht jeder möchte auch Gewalt verüben. Warum also all der Kampf in diesem Buch?
Dabei geht die Autorin auf unsere Gesellschaft ein. Frauen haben in den letzten Jahrzehnten erst das geschafft, was von 100 Jahren nicht denkbar war. Die Demonstrationen, die Kämpfe vor Gericht, die Gleichberechtigung in kleinsten Nuancen, alles erreicht, ohne Blut zu vergießen. Der Science Fiction Faktor ist leider relativ klein. Die Auflösung hinter dem „Warum die Frauen diese Gabe bekommen haben“ ist auch eher sehr ernüchternd und klingt eher wie ein banaler Chemieunfall. Die Struktur des Buches ist dennoch interessant. Kleine Bilder zwischendurch berichten von alten skurrilen Reliefs oder Zeichnungen, die unter anderem schon damals das Wunder der Frau erkannt haben. Die Grundidee und der Anfang lesen sich durchaus vielversprechend, nur fehlt ab einem gewissen Punkt die Sicht zur Zielgeraden.
Fazit:
Das Wunder der Elektrizität! Ein Blitz bei Gewitter fasziniert noch immer und das wird auch immer so bleiben. Wenn Menschen durch ihren eigenen Körper in der Lage wären, so etwas heraufzubeschwören, dann hat die Evolution einen Schritt gemacht, der unumgänglich alles ändert. Naomi Alderman beschreibt eine düstere Zukunft für Männer. Wo Frauen gequält und unterdrückt wurden, rächen sie sich, mit unbeschreiblicher Gewalt. Gesellschaften brechen zusammen, Prophetinnen werden ernannt und Regierungen fallen. Kämpfe, Krieg und der Wunsch nach einer neuen Ordnung... und doch ist alles gleich. Denn wo sonst die Vernunft hätte siegen können, geht hier alles nur im Chaos unter. Die grandiose Idee des Buches und der wunderbare Beginn verfallen in eine undurchsichtige Berg- und Talfahrt. Ein Kampf, der viel mehr hätte sein könne, als er am Ende geworden ist.
Matthias Göbel
Autorin: Naomi Alderman
Übersetzung:
Sabine Thiele
Taschenbuch: 464
Seiten
Verlag: Heyne
Verlag
Veröffentlichung:
01.09.2022
ISBN: 9783453425019
Achtung, dieser Text kann Spoiler enthalten!
Lange habe ich kein Buch mehr gelesen, welches mich noch am Anfang so sehr gefesselt hat, um mich dann irgendwo nach dem ersten Drittel richtig zu verlieren. Dieses Buch hatte einfach so, so, so unglaublich viel Potential und hat es, meiner Meinung nach, einfach nur vermasselt.
Ein Buch, in dem Frauen an die Macht kommen, weil sie plötzlich die Gabe entwickeln, Elektrizität zu erzeugen und andere damit außer Gefecht setzten können. Frauen, die sich aus Gefangenschaft und wiederen Umständen befreien und anderen dabei helfen, endlich ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Am Ende war es aber vor allem ein Buch darüber, dass der Mensch nicht dazu geschaffen sein soll, Macht zu haben da er sonst grausam wird.
Die Heilige, die sich in ihrem Wahn selbst zu einer Macht und dabei auf die Stimme in ihrem Kopf hört, hierfür sogar das ganze Christentum erstaunlich schnell umkrempelt und alle jagen lässt, die nicht mit ihr einer Meinung sind, da sie nicht zur Mutter beten.
Die Politiker Mutter, die ihre Kinder völlig aus den Augen verliert und wo zum Ende des Buches auch nur noch eines eine Rolle spielt. Schwer vom Schicksal getroffen, nutzt die Mutter es dennoch aus, um ihre eigenen Pläne voranzutreiben.
Die Drogendealerin, welche natürlich schwarz ist und sich dran macht, dass Erbe von ihrem Vater zu übernehmen komme da was wolle, denn statt bei der Heiligen zu bleiben sind Drogen natürlich wichtiger.
Und dieser Dude, der als einziger von den Frauen noch akzeptiert wird und Videos usw. von ihnen machen darf, da er ja ihre Stimme ist. Immerhin ist ausgerechnet er anders als alle anderen Männer auf dieser Welt.
Begleitet wird die Story mit der Zeit von immer mehr Frauen, welche Männer jagen, foltern und vergewaltigen und alle schauen weg, bis hin zu dem ultimativen Schlag, nachdem es dann heißt, alles auf null und; Warum es besser wäre, wenn Männer regieren.
Keine Ahnung, aber für mich ist dieses Buch irgendwo falsch abgebogen. Mag sein, dass es irgendwo dem Geist der Zeit entspricht, dass wir mit Macht nicht umgehen können und vlt. bin ich da auch zu naiv. Aber ich hätte mir zumindest die eine Protagonistin gewünscht, welche sich weiterhin dafür eingesetzt hätte, dass alle Männer gleich sind, statt, dass sie stellenweise nur noch mit der Genehmigung einer Frau vor die Tür dürfen.
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