Cover des Buches Das dunkle Herz des Waldes (ISBN: 9783570172681)
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Rezension zu Das dunkle Herz des Waldes von Naomi Novik

High-Fantasy at its best

von Vilja2013 vor 6 Jahren

Rezension

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Vilja2013vor 6 Jahren

Das dunkle Herz des Waldes von Naomi Novik wird vom Verlag als Fantasy-Geheimtipp der nächsten Jahre bezeichnet. Und das vollkommen zu Recht. Die Geschichte um die Holzfällertochter Agnieszka spielt in einer nicht genau bezifferten Zeit des Mittelalters und entwickelt sich im Laufe der Erzählung zu einer High-Fantasy-Story tolkien’scher Machart. So simpel die Geschichte auf den ersten Blick klingen mag, desto feiner ist sie umgesetzt – sprachlich, inhaltlich, atmosphärisch – Gänsehaut pur: ein kleines Meisterwerk!

Inhalt: Der Dunkle Wald, eine ur-böse magische Daseinsform voller Tücken und undurchsichtiger Grausamkeiten, droht sich immer weiter auszubreiten. Einer der mächtigsten Gegenspieler des Waldes ist Zauberer Sarkan, genannt der Drache, der sich in seinem dunklen hohen Turm von der Außenwelt abschottet. Geehrt und gefürchtet zugleich herrscht er über das Tal, das dem Dunklen Wald am nächsten liegt. Alle zehn Jahre holt er eine junge Frau aus einem nahen Dorf zu sich und reißt sie aus ihrem gewohnten Lebensumfeld.

Kritik: Der Einstieg ins Geschehen fällt zunächst etwas sperrig und schwierig aus. Über einen längeren Abschnitt ist nicht ersichtlich, warum die Mädchen in den Turm des Drachen geholt werden und wohin die Geschichte führen soll. Was zu Beginn verwirrend ist, nur langsam in Gang kommt und zu Kritik einlädt, erweist sich im Nachhinein als ein äußerst gelungenes Heranführen an die Handlung und eine perfekte Inszenierung des Spannungsbogens – der Leser wird auf eine falsche Fährte geführt, bald folgt ein Überraschungsmoment auf den nächsten und die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Sprache ist recht einfach gehalten und die relativ kurzen Sätze sind vorübergehend gewöhnungsbedürftig. Doch trotz oder gerade wegen der einfachen, geradlinigen Wortwahl und Erzählweise wird eine perfekte magische Szenerie erschaffen. Die Autorin baut langsam eine ganz eigene magische Welt auf, die intensive Bilder im Kopf entstehen und einen den Wald förmlich riechen lässt. Das Auswählen der Mädchen erinnert zu Beginn an „Die Tribute von Panem“, entwickelt sich dann aber in eine ganz andere Richtung. Scheint der Fokus zunächst auf der Gefangenschaft der Mädchen und ihrem Schicksal zu liegen, wird nach und nach eine vielschichtige Hintergrundgeschichte enthüllt. In schnörkelloser Sprache entwickelt die Autorin eine ganz besondere Dynamik und Atmosphäre zwischen den beiden Hauptpersonen Agniezka und Sarkan, und arbeitet ihre Charaktere fein heraus. Auch die anderen Figuren sind authentisch gestaltet, tolkien’sche Landschaftsbeschreibungen und ein unaufgeregter, bildhafter und authentischer Erzählstil runden die Geschichte ab.

Einziger Wehrmutstropfen ist das recht gewöhnliche Cover, das nicht durchweg überzeugt, allerdings auch nicht völlig unpassend ist. Es kennzeichnet das Buch als Fantasy-Titel, was aus marktstrategischen Gründen des Verlages sicherlich richtig ist. Die Altersempfehlung des Verlages ist etwas zu niedrig angesetzt. Ab 12 Jahren ist das Buch aufgrund der Sprache und der teilweise brutalen Handlung noch nicht geeignet.

Fazit: Das völlige Fehlen von unnötigen Verschnörkelungen und künstlich in die Länge gezogenen Dramen macht die Perfektion der Geschichte aus und das eigentliche Drama umso intensiver. Handlung, Erzählweise und Figurenkonstellation entwickeln mit der Zeit eine Tiefe, die noch lange nachhallt. Nichts wirkt zu gewollt – der auch für Erwachsene geeignete Roman hebt sich erfrischend von anderen Jugend-Fantasybüchern ab, bei denen man sich oft darüber ärgern muss, wie klischeehaft die Handlung gestaltet ist und wie künstlich sie in die Länge gezogen wird. Hier hat alles seine berechtigte Harmonie, die Erzählung fließt wie die Zaubersprüche der Protagonisten wunderschön dahin. Das Wirken der Zaubersprüche kommt unheimlich echt rüber und wird sehr intensiv und außergewöhnlich beschrieben. Wenn es authentische Magie-Beschreibungen gäbe, in diesem Buch wären sie zu finden. Passend dazu die ungewöhnlichen märchenhaften Namen der Protagonisten mit stets ausdrucksstarkem Klang.

Auch die Liebesszenen fügen sich stilvoll in die Handlung ein. Maß und Intensität sind genau aufeinander abgestimmt. Sowohl ihr völliges Fehlen nach typisch amerikanischer Twilight-Manier als auch ein romantasyhaftes Übermaß an Liebeshandlungen wären hier fehl am Platz. Die knisternde erotische Magie wirkt umso intensiver durch ihre dezente Unaufdringlichkeit.

Eine außergewöhnliche Romanidee qualitativ hochwertig umgesetzt – Sprache und Inhalt harmonieren ausgezeichnet miteinander und machen das Buch zu einem absoluten Muss!

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