Dass ausgerechnet beim Finanzbuch-Verlag ein Jugendbuch über das Universum erscheint, ist eine echte Überraschung, mit der man angesichts der sonstigen Themen, zu denen hier Bücher verlegt werden, nicht rechnen konnte. Das Buch selbst steigert diese Überraschung noch, weil es einfach großartig ist.
Über den Kosmos wissen wir so gut wie nichts. Das klingt angesichts des göttlichen Status, der neuerdings der Wissenschaft zugeschrieben wird, erst einmal ziemlich ernüchternd. Aber es ist die Wahrheit, die man auch aus diesem Buch entnehmen kann. Zwar steht auf dem Cover, dass man es für Kinder ab 10 Jahren konzipiert hat, doch das ist natürlich ziemlich optimistisch. Wenn man Glück hat, gehen die eigenen Sprösslinge in diesem Alter gerade in die unterste Klasse eines Gymnasiums. Von Physik, Chemie oder Astrophysik kann in diesem Alter noch keine Rede sein. Und ob das überhaupt noch von Interesse ist, scheint auch nicht so richtig klar zu sein.
Aber egal – das Buch können auch Erwachsene lesen, die sich nicht unbedingt jeden Tag mit den Sternen und dem ganzen Drumherum befassen. Der Autor ging vermutlich von sich aus, denn sein Interesse für den Kosmos begann mit einem Besuch in einem Planetarium. Da war er gerade neun Jahre alt. Mit Kameraden zog er nachts aufs Dach, um selbst Sterne zu beobachten. Heute ist er Direktor des Hayden Planetarium in New York und schreibt Bücher wie dieses.
Zunächst erzählt der Autor die Geschichte des Universums, die mit dem Urknall beginnt. Dass es einen Urknall gab und der ganze riesige Kosmos gewissermaßen aus dem Nichts entstand, ist eine Theorie, die mich, je öfter ich darüber lese, immer mehr an die Schöpfungsgeschichte erinnert. Natürlich ist hier alles wissenschaftlich umschrieben. Aber einfache Fragen beantworte diese Theorie nicht. Wenn alles plötzlich entstand, was war dann vorher? Und wieso knallte es einfach mal so? Darauf gibt es keine Antwort. Man weiß nur, wie es nach dem Knall weiterging, wie aus den ersten Teilchen die ersten Wasserstoffatome gebildet wurde, wie Sonnen entstanden, und wie mit ihrer Geschichte die anderen, schwereren Atome ins Universum Einzug hielten.
Die Geschichte der Wissenschaft, also auch die der Physik des Kosmos, ist eine Geschichte voller Irrtümer. Und im Augenblick steht die Menschheit wieder einmal vor Rätseln, weil bisherige Theorien über dieses Universum von den Beobachtungen der letzten Jahrzehnte zermahlen wurden. Als man erkannte, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt, statt immer langsamer dabei zu werden, suchte man nach Erklärungen. Und fand keine. Es gibt Energien im Universum, die wir nicht kennen. Und weil man nicht zugeben wollte, dass man keine Ahnung hat, nannte man sie Dunkle Energie. Näheres findet man gut erklärt im Buch, auch wenn es dabei nur die herrschende Ahnungslosigkeit beschreibt.
Man weiß auch nicht, wieso Galaxienhaufen nicht auseinanderfliegen, denn ihre zu geringe Masse würde das erzwingen. Da sie es dennoch nicht tun, muss da etwas sein, was man nicht sehen kann. Diese Ahnungslosigkeit verbirgt man hinter dem Namen Dunkle Materie. Wir kennen nur fünf Prozent des Universums. Der Rest ist für uns dunkel.
Was wir dagegen recht gut kennen, ist unser Sonnensystem. Allerdings kommt das im Buch nicht so richtig vor. Es geht um den Kosmos, nicht um unsere unmittelbare Umgebung. Das Buch kommt ohne Formelkram aus, ist aber dennoch für Zehnjährige nicht einfach zu verstehen, weil ihnen elementare Kenntnisse fehlen, wenn sie nicht gerade Freaks sind. Man kann allerdings mit solchen Büchern Interesse wecken, sich mit dem großen Ganzen zu befassen, wenngleich die Karrierechancen auf diesem Gebiet im modernen Deutschland eher dürftig sind.
Und wer sich davon nicht abschrecken lässt und wirklich gut ist, muss vermutlich tatsächlich ein Freak sein, denn man muss wohl oft nachts arbeiten. Und in abgelegenen Regionen der Welt. Aber den echten Forschern macht das wohl nichts aus.
Ich empfand dieses Buch als ein herausragendes Beispiel für eine großartige populärwissenschaftliche Publikation. Es ist eine große Kunst, die viel Wissen und pädagogische Finesse erfordert, auf hohem, aber immer noch verständlichem Niveau komplizierte Zusammenhänge einfach und locker zu erklären. Das können nicht viele. Der Autor kann es.