Cover des Buches Die Farbe von Milch (ISBN: 9783961610006)
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Rezension zu Die Farbe von Milch von Nell Leyshon

Die Farbe von Milch - eine fesselnde und künstlerisch verpackte Geschichte mit diskutablem Ende

von Steffi_vlk vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Inhaltlich und sprachlich konnte mich die Geschichte begeistern. Sie regt zum Nachdenken an und wird noch lange nachhallen.

Rezension

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Steffi_vlkvor 6 Jahren
Allgemeine Infos:
Titel: "Die Farbe von Milch"
Autor: Nell Leyshon
Genre: Roman
Verlag: Eisele
Seitenzahl: 208

Klappentext:
Mein Name ist Mary. Mein Haar hat die Farbe von Milch. Und dies ist meine Geschichte.
Mary ist harte Arbeit gewöhnt. Sie kennt es nicht anders, denn ihr Leben auf dem Bauernhof der Eltern verläuft karg und entbehrungsreich. Doch dann ändert sich alles. Als sie fünfzehn wird, zieht Mary in den Haushalt des örtlichen Dorfpfarrers, um dessen Ehefrau zu pflegen und ihr Gesellschaft zu leisten – einer zarten, mitfühlenden Kranken. Bei ihr erfährt sie erstmals Wohlwollen und Anteilnahme. Mary eröffnet sich eine neue Welt. In ihrer einfachen, unverblümten Sprache erzählt sie, wie ihr Schicksal eine dramatische Wendung nimmt, als die Pfarrersfrau stirbt und sie plötzlich mit dem Hausherrn alleine zurückbleibt.

Buch:
Die Gestaltung des Buches hat mich gleich überzeigt, deshalb war sie auch eine der Gründe, warum ich das Buch überhaupt ausgewählt habe. Mir gefallen die gedeckten Farben wirklich gut, da durch sie alles harmonisch und stimmig wirkt. Durch den pinken Rahmen und die Tatsache, dass das Muster teilweise sogar über den Titel hinausgeht, wirkt das Cover aber dennoch nicht langweilig. Auch nach Lesen des Buches finde ich das Cover noch klasse, da die den Titel umrahmenden Pflanzen und Vögel auch inhaltlich mit dem Buch verknüpft sind. Gut gefallen hat mir auch, dass das Buch ein Band besitzt, das als Lesezeichen genutzt werden kann.
Das Buch ist im Wesentlichen unterteilt in 4 große Kapitel, die den Jahreszeiten entsprechen, somit umfasst das Buch eine Zeitspanne von etwa einem Jahr. Diese spielt in den Jahren 1830/31. Innerhalb der Kapitel gibt es jedoch keine wirkliche Unterteilung mehr. Ab und zu findet man eine Trennung von Abschnitten durch Sterne, diese sind jedoch auch eher eine Seltenheit. Eigentlich ist die Kapitellänge von etwa 50 Seiten damit deutlich zu lang für meinen Geschmack, da ich gerne auch mal beim Lesen pausiere. Bei diesem Buch hat es mich jedoch recht wenig gestört, da ich die Geschichte innerhalb eines Tages verschlungen habe ;)

Schreibstil:
Nell Leyshons Schreibstil hat in diesem Buch auf jeden Fall einen großen Wiedererkennungswert. Am Anfang habe ich zunächst einige Seiten gebraucht, um mich an den parataktischen Schreibstil mit vielen, kleinen, aneinandergereihten Sätzen zu gewöhnen. Da das Ganze fast schon poetisch gewirkt hat, kam der Lesefluss erst nach und nach. Verbunden mit dem Charakter der Protagonistin hat dieser Stil jedoch einen ganz eigenen Charme gehabt. Die Geschichte ist aus der Sicht der Protagonistin Mary verfasst. Sie schreibt in der Gegenwart die Geschichte zu ihrem Leben bzw. einem Lebensabschnitt auf, dadurch kommt es ab und zu zu Wechseln in der Zeit. Diese erkennt man trotz fehlender auffälliger Abgrenzung jedoch trotzdem recht gut. Zu Beginn habe ich noch die fehlenden Anführungs- und Schlusszeichen der Rede vermisst, auch daran konnte ich mich jedoch schnell gewöhnen. Durch den parataktischen Schreibstil hat die Geschichte super schnell Fahrt aufgenommen und ich wollte ständig weiterlesen und erfahren, wie es mit Mary weitergeht. Diese ist im Buch noch eine Jugendliche, wodurch der Schreibstil auch stark geprägt ist. Zudem hat Mary einen ganz starken Charakter, der wunderbar transportiert wird. Trotz oder gerade wegen ihrer wahnsinnig direkten und ehrlichen Art, fand ich Mary einfach klasse! Dadurch das Mary sich nicht verstellt und gerade heraussagt, was sie denkt, musste ich auch das ein oder andere Mal über eine Situation schmunzeln.

Handlung:
Mary wächst im ländlichen England auf. Dort lebt sie mit ihren Eltern, ihren beiden Schwestern und ihrem Großvater auf einem Bauernhof. Mary leidet seit ihrer Geburt unter einer Fehlstellung ihres Beines, was sie beim Gehen behindert. Darauf wird innerhalb der Familie allerdings wenig Rücksicht gelegt, von Mary wird genauso, wie von ihren beiden Schwestern erwartet, dass sie ganztägig auf dem Bauernhof mitarbeitet. Von einer schulischen Ausbildung profitieren die Schwestern somit nicht, der Rest der Familie kann ja schließlich auch nicht lesen und schreiben: wer braucht schon Worte auf einem Bauernhof? Insgesamt wird Marys Leben durch Arbeitsdisziplin und Gehorsam geprägt. Von Liebe und Zuneigung innerhalb der Familie spürt man nichts und der Umgangston ist rau. Dennoch ist Mary stets optimistisch und sorgt sich vor allem liebevoll um ihren Großvater und die Tiere. Ihr Großvater ist auch der einzige in der Familie, der ihr eine Form von Geborgenheit, Wertschätzung und Zuneigung schenkt. Doch auf einen Schlag ändert sich das Leben von Mary vollständig: Im Haushalt des Dorfpfarrers wird dringend Hilfe benötigt und da Mary durch ihr Bein nicht die von ihrem Vater geforderte Leistung bringen kann, wittert er in dieser Gelegenheit eine gute Geldeinnahme. Plötzlich muss Mary ihren geliebten Bauernhof und damit vor allem ihren Großvater und die Tiere verlassen, um sich um die kranke Frau des Pfarrers zu kümmern. Hiermit eröffnet sich für Mary eine ganz neue Welt. Obwohl sich dadurch einige positive Änderungen wie eine weniger anstrengende Arbeit und neue Kleidung für Mary ergeben, fühlt diese sich nicht wohl. Selbst die auf Anhieb respektvolle und wohlwollende Art von der Pfarrersfrau Mrs. Graham machen Mary nicht glücklich. Sie möchte zurück auf den Bauernhof, dort ist sie allerdings nicht willkommen. Nach und nach gewöhnt sich Mary an ihr neues Zuhause und sie findet einen Rhytmus für ihren Alltag. Doch als die Pfarrersfrau stirbt, nimmt Marys Schicksal erneut eine drastische Wendung als sie plötzlich mit Mr. Graham alleine in dem großen Haus ist. Schafft es Mary sich selbst treu zu bleiben?

Meinung:
Das Buch hat mich beeindruck. Mary ist eine bemerkenswerte junge Frau. Trotz Ihrer schweren Kindheit ist sie immer gut gelaunt und hat eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit. Sie ist unglaublich selbstbewusst und sagt frei heraus, was sie denkt, ohne auf den Gegenüber Rücksicht zu nehmen. Dieser Charakter wurde auch wunderbar in dem parataktischen Schreibstil verpackt. Bei der ersten Hälfte des Buches hätte man eventuell etwas mehr Spannung aufbauen können, diese hat sich auch wegen mancher Wiederholungen etwas gezogen. Gelangweilt habe ich mich trotzdem nie und gerade die zweite Hälfte der Geschichte hat es dann geschafft mich zu fesseln. Nach dem Ende des Buches wusste ich erst einmal gar nicht, was ich darüber sagen soll. Man braucht ein wenig Zeit, um über das gelesene nachzudenken. Es handelt sich hier wohl um einen sehr schmalen Grad zwischen Brillanz und Flop, ich kann mir zumindest gut vorstellen, dass dieses Buch Meinungen spaltet. Ich selbst bin auch zwiegespalten, was das Ende betrifft. Zwischendurch habe ich Marys Stärke vermisst, die sie wohl durch die Umstände verloren hat. Es hat mich zum Schluss gefreut, dass sie diese wieder gewonnen hat: sie ist impulsiv und gerade heraus, sie stellt sich jedoch auch den Konsequenzen und läuft nicht einfach weg. Dennoch denke ich, dass Marys Charakterstärke zu einem anderen Ende hätte führen können. Das Buch wird wohl auch noch eine Weile Nachhallen. Schon alleine das begeistert mich: das Buch ist keine leichte Kost und regt zum Nachdenken und diskutieren an. Aus diesem Grund gebe ich trotz dessen, dass mich das Ende aktuell nicht zu 100% überzeugt, 5 von 5 Sterne. Es handelt sich hierbei um Kunst, die man gelesen haben sollte!
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