Rezension zu "Zehn Tage im Irrenhaus" von Nellie Bly
Eine junge Frau, die sich ihrem neuen Arbeitgeber beweisen will und sich einen tollkühnen Plan überlegt, um undercover in eine Psychiatrie zu gelangen. Das ist der Stoff, aus dem gute Romane (oder Filme) sind! Und dass sich das alles tatsächlich so ereignet hat, ist umso spannender. Denn Blys Plan ging auf und sie verbrachte die titelgebenden zehn Tage in der psychiatrischen Anstalt. Dabei lernte sie die Insassinnen und ihre Geschichten sowie die Behandlungsmethoden kennen.
Ich war ziemlich neugierig, was Bly in der Anstalt erleben würde. Und im Großen und Ganzen wurde ich nicht enttäuscht. Klar, ich hätte mir mehr Informationen gewünscht, detailliertere Beschreibungen, eine intensivere Leseerfahrung. Der Stoff hätte es absolut hergegeben. Wie die Patientinnen von dem Pflegepersonal behandelt wurden, welchem Missbrauch sie ausgesetzt waren und wie wenig sie ihre Zeit dort gestalten konnten, hat mich entsetzt. Gleichzeitig hatte ich ständig das Gefühl, dass ich mir kein umfassendes Bild machen konnte.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass es sich um einen Zeitungsartikel handelt, einen Erfahrungsbericht, der von einer mutigen, aber auch unerfahrenen jungen Frau stammt. Da bin ich einfach mit überzogenen Erwartungen an die Sache herangegangen.
Mein größter Kritikpunkt liegt in der Gestaltung: Statt die zahlreichen Fußnoten unten auf der Seite zu platzieren, stehen sie allesamt am Ende des Buches. Das hatte eine mühsame Suche bei jeder Fußnote im Text zur Folge; immerhin gab es teils wichtige Informationen zum besseren Verständnis. Das mag Geschmackssache sein, mich hat es aber leider ziemlich gestört.
Mit „Zehn Tage im Irrenhaus – Undercover in der Psychiatrie“ habe ich ein spannendes Stück Zeitgeschichte gelesen. Man erfährt nicht nur viel über die damaligen furchtbaren Verhältnisse, denen sich Frauen in einer psychiatrischen Anstalt beugen mussten, sondern auch einiges über eine Pionierin des investigativen Journalismus.