Cover des Buches Cutter und Bone (ISBN: 9783945133163)
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Rezension zu Cutter und Bone von Newton Thornburg

Wut, Bitterkeit und Projektionen

von Havers vor 9 Jahren

Rezension

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Haversvor 9 Jahren

Und wieder einmal hat der Polar Verlag ein herausragendes Werk der Noir-Literatur veröffentlicht: „Cutter und Bone“ von Newton Thornburg, ein Thriller aus dem Jahr 1976, der 1981 unter dem Titel „Cutter’s Way – Keine Gnade“ mit Jeff Bridges verfilmt wurde.

Richard Bone hatte die Nase voll von seinem Leben als treusorgender Familienvater. Deshalb quittierte er seinen Job und verließ Frau und Kinder Richtung Sunshine State. Seither verbringt er seine Tage in Santa Barbara mit Drogen, Alkohol und Frauen, von denen er sich für seine Dienste bezahlen lässt. Und er hängt mit Alex Cutter herum, einem Vietnam-Veteranen, der physisch und psychisch schwer gezeichnet ist. Beide tragen große Wut und Bitterkeit in sich, denn ihnen ist klar, dass sie das, was sie vom Leben erwartet haben, nicht bekommen werden.

Aber vielleicht gibt es doch noch glückliche Zufälle. Die Leiche einer jungen Frau in einer Mülltonne könnte für die beiden das Ticket in ein besseres Leben sein. Sie glauben nämlich, in dem Täter J. J. Wolfe, einen Superreichen aus Missouri, erkannt zu haben. Und diese Vermutung setzt bei Cutter einen Prozess in Gang, der sich verselbstständigt, denn er projiziert allen Hass, den er in sich trägt, stellvertretend auf diese eine Person. Er soll für den Mord bezahlen, natürlich auch in klingender Münze.

Die beiden Männer verlassen für die Suche nach dem Mörder sogar ihr gewohntes Umfeld und machen sich auf die Jagd. Selbst als das Aufspüren des Täters für Bone längst an Wichtigkeit verloren hat, kann Cutter nicht davon ablassen, wobei es ihm in errster Linie gar nicht darum geht, den Schuldigen zu strafen. Eigentlich möchte er sich nur stellvertretend an ihm rächen – für all das, was ihm sein Heimatland angetan hat.

„Cutter und Bone“ ist nur in zweiter Linie ein Thriller, in erster Linie ist es ein höchst politisches Werk, angesiedelt in einer Zwischenzeit. Die Flower-Power Bewegung ist fast schon abgehakt und Reagans Amtszeit hat noch nicht begonnen. Amerika kämpft mit seinem Vietnam-Trauma, und die heimgekehrten Soldaten werden mit ihren Kriegserlebnissen allleingelassen. So auch Alex Cutter, der Veteran mit den schlimmen Verletzungen, der voller Ärger und Hass auf Kapitalisten und Politiker ist, die sein Land in den Krieg getrieben haben. Dafür stellvertretend jagt er Wolfe und möchte ihn zur Strecke bringen.

Thornburg hält der Gesellschaft den Spiegel vor und beschönigt nichts. Er gibt der Wut seines Protagonisten ein Ventil, bringt diese in messerscharfen Dialogen mit einer gehörigen Portion Zynismus genau auf den Punkt. Ein Meisterwerk des Genres, das man gelesen haben sollte.

Eine kleine Notiz am Rande: Die Ozarks in Missouri wirken offenbar sehr inspirierend auf Noir-Autoren. Nicht nur Daniel Woodrell lebt und findet dort seine Themen, auch Newton Thornburg erwarb nach dem Verkauf der Filmrechte von „Cutter und Bone“ eine Ranch in den Bergen von Missouri.

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