Ein Roman über das Schreiben und das erschaffen von Leben durch das Schreiben. Aber auch über das Leben mit und durch das Schreiben und die Möglichkeiten, die darin stecken.
Die Geschichte selbst, in deren Zentrum eine fünfunddreißigjährige Autorin steht, ist ziemlich verwirrend. Bei einer offensichtlichen Buch-im-Buch-Thematik fragt man sich bald, welcher Anfang der reale und welcher der erdichtete ist. Insgesamt scheint es drei Schriftstellerinnen zu geben, die, mehr oder weniger real, jeweils ihre Bücher schreiben.
Im Laufe dieses Episoden-Romans wird das Ganze immer undurchsichtiger. Studierende tauchen innerhalb der Kapitel auf und kommentieren wie ein antiker, griechischer Chor das zuvor beschriebene Geschehen. Eine Lektorin darf plötzlich Anmerkungen machen. Das ist vielleicht auch ein Kniff der Autorin, die Konstruktion ihres Romans ironisch zu brechen, kommt sie doch selbst beinahe wie die Aufgabe einer Schreibschule daher. Eine Fingerübung.
„Das könnte man als literarische Technik beschreiben, oder als realistische Art, zu leben.“
Und es scheint, als sei die Frage nach dem Anfang, wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Denn letztendlich sind wir alle Individuen mit zahllosen Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten.
„Die Möglichkeiten ergeben sich immer aus dem, was bereits existiert und sind gleichzeitig endlos. Was wir als Realität bezeichnen, ist ein Sammelsurium verwirklichter Möglichkeiten.“
Ziehen wir dann die Existenz von Parallelwelten und Zeitschleifen in Betracht, ergeben alle Geschichten immer wieder nur die Geschichte der einen Person, ob verheiratet oder nicht , mit Kind oder ohne, mit Hund oder ohne, mit Freundin oder Freund, all das sind Varianten des Lebens ein und derselben Frau in einer anderen Dimension.
Und ob nun M. über die Frau schreibt oder die Frau über M., es ist egal, sie bedingen sich gegenseitig, eine ohne die andere kommt hier nicht vor. Deshalb erschienen mir ihre Dialoge beim Spazierengehen zuletzt wie Selbstgespräche einer einzigen Autorin mit ihrem alter Ego, in denen die eigene Existenz reflektiert, kommentiert und geplant wird. Und seien wir doch mal ehrlich: wer hätte sich nicht selbst schon ein anderes Leben vorgestellt, eine neue Liebe ist wie ein neues Leben usw. Doch wie man sich auch entscheidet, es ist niemals leicht, glücklich zu sein.
Dieses teilweise sehr poetische Buch zeigt nicht nur die Vielfalt an Lebensentwürfen, es demonstriert die Macht der Literatur, mit ihnen zu spielen und ist damit nicht zuletzt ein Lobgesang auf die Kraft der Fantasie.
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen, Suhrkamp 2021