Cover des Buches Der Fürst (ISBN: 9783868200218)
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Rezension zu Der Fürst von Niccolo Machiavelli

Rezension zu " Der Fürst" von Niccolo Machiavelli

von Mario_Veraguth vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Das kleine Einmaleins der Machtpolitik, Ränkeschmiederei, Manipulation und eiskalter Berechnung

Rezension

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Mario_Veraguthvor 9 Jahren

Machiavellis hauptsächlicher Impuls und gleichsam die Hoffnung hinter dem Werk war, es als Geschenk dargeboten, als kluger Stratege anerkannt und wieder in seine verlorenen Machtpositionen eingesetzt zu werden. Dies misslang zwar, aber als einer der ersten Lehrherrn und Vorgänger der modernen spin doctors verstand er es, die Mechanismen hinter Aufstieg und Fall bekannter historischer Persönlichkeiten und Großreiche und die zugrunde liegenden Denkfehler minutiös aufzuzeigen.

Primär bemüht er Beispiele aus der römischen und italienischen Geschichte um, ganz glühender, auf Vereinigung Italiens unter einem souveränen Banner hoffender, Patriot der er war, für die als Leser zu gewinnenden Herrscher und Generäle einen emotionalen Ankerpunkt mit einzubeziehen.

Die Ökonomie war Machiavelli ein Anliegen, da er den Zusammenhang zwischen zufrieden arbeitenden Untertanen und prosperierendem Heeres- und Allgemeinwesen erkannte und den steten Blick auf die interne Entwicklung empfahl. Die als Ideal empfundene Staatsform ist dabei immer autokratischer Natur, wenn auch auf Wohlstand und Zufriedenheit der Unterdrückten bedacht, um Aufständen vorzubeugen.

Vom Massenpsychologischen her sind die angeregten Vorgehensweisen durchdacht und zeugen von der Kenntnis des Autors über die menschliche Psyche. Kein Pathos, keine falschen Heroen werden bemüht, sondern aufgrund scharfer Beobachtung richtige Rückschlüsse gezogen und somit bis heute gültige Prognosen über die Auswirkungen getätigt. Als einer der Begründer der Politikwissenschaften geht Machiavelli systematisch vor und zieht wissenschaftlich seriös und bar jeglicher religiöser oder philosophischer Verklärung seine gültigen Schlüsse. Dies hebt ihn angenehm von griechischen und römischen Denkern ab, deren Thesen, hinter Unmengen an glitzerndem Beiwerk versteckt, teils schwer zu finden und verinnerlichen sind.

Auf viele erdenkliche Konstellationen von Machtverhältnissen wird eingegangen, seien es die Vorbedingungen zur Herrschaftserlangung, deren Erhalt und Ausbau, den Umgang mit Feinden, Verbündeten und vermeintlichen Allianzen, die Wichtigkeit einer sprachlichen und kulturellen Einheit, den Aufbau eines eigenen, söldnerfreien Heereswesen sowie dem Umgang mit dem eigenen Volk und den politischen Mitläufern und Gegnern. Es wird eindringlich vor der Wahl falscher, inkompetenter Berater gewarnt und die Wichtigkeit des Augenmerks auf Mäßigung und, wenn auch nur vermeintliche, Gerechtigkeit gelegt. Wobei er auch, konkret zur Wahrung des äußeren Scheins, zu Manipulation und Lügen anregt um im politischen Tagesgeschäft überleben zu können und sich der Gewogenheit des Volkes sicher sein zu können. Der Zweck heiligt die Mittel. Dieses ursprünglich religiöse Leitmotiv durchzieht das gesamt Werk und es wird vor nichts zurückgeschreckt.

Diese Offenheit war es, die einen größeren Erfolg zu Lebzeiten im Keim erstickte, da die konservative Gesellschaft sich von so unchristlichen Praktiken einfach brav konditioniert abwenden musste. Der Mechanismus zur Verdrängung unliebsamer Tatsachen mit den Mitteln der Realitätsverweigerung, selektiver Wahrnehmung und konservativ-bigottem Weltbild ist derselbe geblieben.

Was die vielfach angekreidete Skrupellosigkeit anbelangt, findet sich kein Unterschied zu modernen Denkfabriken aus Militär, Politik und Wirtschaft. Sicher werden die Übergriffe heutzutage marketing- und PR-technisch ausgewogen noch euphemistischer verbrämt, um ganz im Sinne der besseren Klangart, politischen Korrektheit und der corporate responsibility attraktiv zu wirken und die beinharte Vorgehensweise kaschierend und verfremdend dargestellt. Nur das Anliegen, konkurrierende Staaten, Firmen und auch Personen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht nur zu schädigen, sondern in Kampfunfähigkeit, Staatbankrott und Privatkonkurs zu treiben, ist dasselbe geblieben. Es wird heutzutage nur nicht, was man Machiavelli noch zugute halten muss, ehrlich kommuniziert, sondern hinter undurchschaubaren Verträgen, juristischen Klauseln, diplomatischen Winkelzügen und beschwichtigender Rhetorik versteckt. Und konsequent gegen eine der Grundregeln, sich beim eigenen Volk sowohl beliebt als auch gefürchtet zu machen, verstoßen. Die zeitlose Gültigkeit etlicher Regeln zeugt sowohl von der Weitsicht des Autors als auch von der verderblichen Anziehungskraft der Macht und den Folgen, die dieses Werk unmittelbar verursacht hat und in Zukunft noch verursachen wird.

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