Cover des Buches Kleine Tierkunde Ostafrikas (ISBN: 9783463405995)
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Rezension zu Kleine Tierkunde Ostafrikas von Nicholas Drayson

Neues aus dem Asadi Club

von Igelmanu66 vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Abwechslungsreich und unterhaltsam, mit viel Natur und afrikanischem Lebensgefühl.

Rezension

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Igelmanu66vor 9 Jahren

»Das ist ja alles sehr interessant. Und trotzdem die reinste Spekulation, A.B., mein alter Freund.«

»Spekulationen, mein lieber Patel, erweisen sich oft genug als wahr. Du hast deine Theorie dargelegt. Ich habe meine Theorie dargelegt. Wollen wir es nicht dem Publikum überlassen, zu entscheiden, welche der beiden wahr ist?«

Der Ort, wo hier über die Wahrheit abgestimmt wird, ist der Asadi Club in Nairobi. Wer den Vorgängerband „Kleine Vogelkunde Ostafrikas“ gelesen hat, weiß, dass dieser Ort schon immer Austragungsort skurriler Wetten war. Und nun steht im Blickpunkt ein 70 Jahre alter Mordfall, der nie aufgeklärt werden konnte.

Um diesen Punkt gleich abzuhaken: Es ist nicht notwendig, zuvor die kleine Vogelkunde gelesen zu haben. Die Handlung wird zwar in einigen Punkten fortgeführt, alle wichtigen Infos dazu aber kurz mitgeteilt. Um einen anderen Punkt zu klären: Der Klappentext ist irreführend und einfach nicht zutreffend. Was mich persönlich aber ganz und gar nicht gestört hat ;-)

In besagtem Klappentext wird nämlich von einer „kleinen Safari der klopfenden Herzen“ erzählt und der Anschein vermittelt, dass es in diesem Buch für den Protagonisten Mr. Malik erneut darum ginge, das Herz von Rose Mbikwa zu gewinnen. Als ich das las, dachte ich spontan: Schon wieder? Ging es darum nicht in Band Eins? Jetzt das gleiche nochmal, nur mit einer anderen Rahmenhandlung? Ich kann Entwarnung geben. In diesem Buch passiert so viel, dass Mr. Malik gar keine Zeit hat, sich um Rose zu bemühen.

Da ist zunächst mal der alte Mordfall, der immer noch die Gemüter bewegt. Und dann das große und allgegenwärtige Problem der Korruption, gegen das Malik schon seit Jahren auf eine ihm eigene Art ankämpft. Seine unter Pseudonym erscheinende wöchentliche Kolumne in der Evening News hat schon so manchen Minister zum Rücktritt gezwungen. Aber nun hat die Regierung dem Kolumnenschreiber den Kampf angesagt und als wenn Malik damit nicht schon genug beschäftigt wäre, muss er außerdem die Hochzeit seiner Tochter vorbereiten und diverse Probleme im Club bewältigen.

Nachdem ich ein wenig skeptisch mit dem Buch begonnen hatte, hat es mir dann doch viel Spaß gemacht. Mr. Malik mag ich sehr und ebenso viele der anderen Charaktere im Buch. Da gibt es beispielsweise einen jungen Kenianer, der praktisch ein wandelndes Naturkundelehrbuch ist und zwei Clubmitglieder, die sich wirklich unaufhörlich Wortduelle liefern und jede kleine Streitigkeit zu einer Wette aufbauschen. Sehr amüsant!

Viel erfährt der Leser aber auch über Afrika – Schönes und weniger Schönes. Um mit dem Schönen zu beginnen, gibt es wieder herrliche Schilderungen der Natur und der Tierwelt. Ich hätte am liebsten sofort meinen Koffer gepackt! Aber es wird auch viel Negatives berichtet, hierzu zählen zum Beispiel die Bereiche Korruption, Not, Infrastruktur und Straßenkriminalität. Allerdings wird alles so herrlich leicht und mit einem Schmunzeln erzählt, dass die gute Laune beim Lesen nicht leidet. Dieser Stil gefiel mir wirklich sehr und ich habe mal zur Verdeutlichung ein kleines Beispiel zum Thema „Zustand der Straßen“ herausgesucht:

»Um von Nairobi nach Meru zu fahren, hat man kaum eine andere Wahl, als die Thika Road zu nehmen, bei Generationen kenianischer Autofahrer besser bekannt als Schlaglochboulevard. Manche Schlaglöcher gibt es schon so lange, dass sie inzwischen eigene liebevolle Spitznamen tragen – die Große Fontäne und der Lake Victoria kommen mir da in den Sinn. Ab und zu werden sie aufgefüllt – etwa, wenn der Präsident alle fünf Jahre zu einer seiner „Begegnungen mit dem Volk“-Touren aufbricht -, doch das ändert nichts daran, dass ihre ursprüngliche Lage noch immer leicht zu erkennen ist, weil der Verkehr – manchmal noch Jahre später – einen Bogen um ein augenscheinlich makelloses Stück Straße macht, weil die Autofahrer in alter Gewohnheit automatisch dem Phantomloch ausweichen.«

Auch die Erzählperspektive gefiel mir, der Erzähler taucht selber in der Geschichte nicht auf, steht aber in ständigem „Kontakt“ mit dem Leser und spricht ihn häufig an. Bei Sätzen wie „Sind das nicht gute Neuigkeiten?“, „Es wird Sie freuen zu hören…“ oder „Wer, so höre ich Sie fragen…“ hat man das Gefühl, der Erzähler sitzt einem gemütlich gegenüber. Das passt sicher nicht zu jedem Buch, aber zu diesem hier wunderbar.

Die „kleine Tierkunde“ wird fortgeführt in den Überschriften der einzelnen Kapitel, die jeweils aus einem Satz bestehen wie zum Beispiel: »Das Erdferkel frisst die Ameise, doch der Ameisenhügel wächst weiter.« Oder: »Wenn Elefanten kämpfen, leiden die Mäuse.« Oder: »Eine Schlange kann ihre Haut abstreifen, aber nicht ihre Seele.« Was hinter solchen Aussagen steckt, erschließt sich mal leicht, mal muss man ein bisschen nachdenken. Immer aber machte es mich neugierig auf das folgende Kapitel.

Fazit: Ein schönes Buch, ein überraschendes Buch. Abwechslungsreich und unterhaltsam, mit viel Natur und afrikanischem Lebensgefühl. Enttäuscht dürften eigentlich nur die Leser sein, die eine „kleine Safari der klopfenden Herzen“ erwartet haben.

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