Nicholas J. Conard

 3,6 Sterne bei 9 Bewertungen

Lebenslauf

Der Deutsch-Amerikaner Nicholas J. Conard, 1961 in Cincinnati/Ohio geboren, ist seit 1995 Professor der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und leitet dort die Abteilung Ältere Urgeschichte am Institut für Frühgeschichte.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Nicholas J. Conard

Cover des Buches Die Venus aus dem Eis (ISBN: 9783442745340)

Die Venus aus dem Eis

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Erschienen am 14.01.2013
Cover des Buches Als der Mensch die Kunst erfand (ISBN: 9783806246599)

Als der Mensch die Kunst erfand

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Erschienen am 29.08.2023
Cover des Buches Die Venus aus dem Eis (ISBN: 9783641045135)

Die Venus aus dem Eis

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Erschienen am 01.12.2010
Cover des Buches The Vogelherd Horse and the Origins of Art (ISBN: 9783981794786)

The Vogelherd Horse and the Origins of Art

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Erschienen am 18.11.2016

Neue Rezensionen zu Nicholas J. Conard

Cover des Buches Die Venus aus dem Eis (ISBN: 9783813503760)

Rezension zu "Die Venus aus dem Eis" von Nicholas J. Conard

Gelungenes wissenschaftlich-literarisches Projekt
Ein LovelyBooks-Nutzervor 4 Jahren

Im September 2008 machte das Team um den amerikanisch-deutschen Archäologen Nicholas Conard in einer Höhle auf der Schwäbischen Alb einen spektakulären Fund. Die 40 000 Jahre alte kleine "Venus vom Hohle Fels" ist bis heute die älteste bekannte Darstellung einer menschlichen Figur. Um die Sensation perfekt zu machen, wurden in ihrer Nähe auch noch die ältesten Musikinstrumente der Welt ausgegraben.

Die vielen Fragen, die sich im Zusammenhang nach den Menschen ergaben, die diese Kunstwerke angefertigt hatten, führte schließlich zur Entstehung dieses Buches, das die Autoren als archäo-literarischen Versuch bezeichnen. Der Paläolithiker ist befangen, weil er nur über das Auskunft geben kann, was sich mit den Methoden seines Faches belegen lässt. Darüber zu spekulieren, wer diese Menschen waren, oder was sich in ihrem Lebensumfeld zugetragen hatte, bleibt ihm versagt. Das Zusammentreffen mit einem Literaturwissenschaftler, einem berufsmäßigen Interpreten und Fabulierer erwies sich als Glücksfall, kann und darf er doch Theorien in Geschichten verwandeln. Dass sie nicht den Anspruch erheben, eine längst vergangene Wirklichkeit authentisch abzubilden, ist selbstverständlich, sind doch weder Worte noch Gedanken jener eiszeitlichen Menschen in anderer Form als in ihren Hinterlassenschaften überliefert.

Aus dem Wunsch, die Methode der Archäologie und die der Erzählung zu verbinden, erwuchs dieses Projekt, das man auch als "Wissenschaftsfiktion" bezeichnen könnte. Um die Rahmenbedingungen vorzugeben, wurden folgende Spielregeln festgelegt:

  •     Alles,     was definitiv nicht ausgeschlossen werden kann, muss möglich sein.    

  •     Es     darf nicht verboten sein, die ferne Wirklichkeit mit heutiger     Sprache zu benennen.    

  •     Es     muss verboten sein, die ferne Wirklichkeit mit heutiger Psychologie     zu beschreiben.    

  •     Keine     Möglichkeit darf ausgeschlossen werden, weil sie ungewöhnlich ist.

  •     Jede     Möglichkeit, die ausgeschlossen werden kann, muss verworfen werden.

Mit dem Bewusstsein von PC-Nutzern Eiszeitrituale ergründen zu wollen, ist ein an sich fragwürdiges Vorhaben, geben die beiden Autoren bereits im Vorwort zu, doch gilt das nicht generell für alle historischen Romane, habe ich mich gefragt? Mir ist es nicht einmal möglich, mich in die Zeit vor 400 Jahren zurückzuversetzen, also können mich noch viel fernere Zeiten ebenfalls nicht abschrecken, habe ich mir gedacht, und mich gerne auf das ungewöhnliche wissenschaftlich-literarische Experiment eingelassen.

Die ersten Kapitel vermochten zwar noch keine Begeisterung hervorzurufen, doch langsam hat mich diese unvorstellbar ferne und fremde Welt völlig in ihren Bann gezogen. Dabei war es nicht so sehr der Inhalt, das Zusammentreffen der in Europa seit etwa 300 000 Jahren lebenden Neandertaler und der aus Afrika eingewanderten ersten modernen Menschen, der mich gefesselt hat, sondern die meisterhafte Sprache, die schließlich eine unheimliche Sogwirkung auf mich ausübte.

Wie muss es für unsere frühen Vorfahren gewesen sein, monatelang in Kälte und Dunkelheit auszuharren? Wie haben sie den Hunger ertragen und die Angst vor den Wildtieren, von denen ihr Überleben  doch grundsätzlich abhing? Wie reagierten sie auf Fremde, wie unterschieden sie zwischen Freund und Feind? Wen akzeptierten, und wen bekämpften sie? Wie nahmen sie eine sich klimatisch verändernde Umwelt wahr, wie erlebten sie Vulkanausbrüche und andere Naturphänomene? Wie muss es gewesen sein, in unbekanntes Territorium vorzudringen, nicht wissend, was der nächste Schritt für ein kleines Grüppchen von oft nur 20 Mitgliedern zu bedeuten hatte?

Die Hauptsorge galt sicherlich der Nahrungsbeschaffung, der Unterkunft und der Bekleidung, doch wurden auch körperlich beeinträchtigte Gruppenmitglieder versorgt, Wunden oft sogar recht erfolgreich behandelt und die Verstorbenen mit Grabbeigaben bestattet, die auf Totenrituale und Jenseitsvorstellungen schließen lassen. Dennoch wurde dem Individuum längst keine so große Bedeutung beigemessen wie heute. Zwar agierten diese frühen Menschen sozial, aber nur dann, wenn ihre Handlungsweise den Fortbestand der Gruppe nicht gefährdete und keine zusätzliche Belastung darstellte. Andernfalls wurden auch Schädel zertrümmert oder Alte und Kranke ihrem Schicksal überlassen. Trotz dieses unerbittlichen Daseinskampfes entwickelten die Menschen der Eiszeit eine erstaunlich vielfältige Kreativität, die sich in Wandmalereien, in der Anfertigung kleiner Kunstgegenstände und sogar Musikinstrumenten zeigte. 

Alle diese Themen werden in der fiktiven Erzählung behandelt, die sehr deutlich auch immer wieder auf das magische Denken und oft intuitive Handeln der Gruppenmitglieder verweist. Jürgen Wertheimer hat sich der gestellten Aufgabe meiner Meinung nach sehr einfühlsam genähert, weshalb die Geschichte nie ins Irreale oder nicht mehr Nachvollziehbare abgeglitten ist.

Als einziger Kritikpunkt sei mir der Einwand erlaubt, dass ich den altsteinzeitlichen Menschen weniger vorausschauend und zukunftsorientiert dargestellt hätte. Seine Lebensspanne umfasste gerade einmal 25 - 40 Jahre, und die Bewältigung seiner Aufgaben war wohl mehr auf das Gegenwärtige als auf das Zukünftige ausgerichtet. Vielleicht irre ich mich aber auch, wissen wir doch, dass er abstrakt denken, dass er planen und über das Heute hinausblicken konnte. Wer weiß, zu welchen Gedankenflügen unser früher Verwandter fähig war, wenn er am nächtlichen Lagerfeuer den Blick zum Sternenhimmel erhob.

Besonders gut hat mir gefallen, dass an passender Stelle im literarischen Text immer wieder kurze wissenschaftliche Passagen eingefügt worden sind. In eigens gekennzeichneten Rubriken wird der Leser nicht nur über die genetische Vermischung von Neandertaler und Homo sapiens aufgeklärt, sondern auch über das eiszeitliche Klima, über Flora und Fauna, Wohnraum und Bekleidung, über Geräte, Werkzeuge und Waffen, Schnitzereien und Schmuck, über Musik und Sprache, soziale Strukturen und Kunstwerke der altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlergesellschaft informiert.

Beeindruckend verstehen die Autoren den Menschen des Aurignaciens in seiner Umwelt darzustellen, dessen hartes Leben in und mit der Natur wir heute in keiner Weise mehr nachempfinden können. Unser ferner Vorfahre erhält in diesem Buch aber nicht nur einen Namen und ein Gesicht, sondern auch eine Stimme. Jürgen Wertheimer lässt ihn musizieren, lachen, lieben, hassen, leiden, kämpfen und töten, sodass wir durch die Jahrtausende hindurch unser eigenes Abbild wie in einem fernen Spiegel zu erkennen vermögen.

Sehr gut hat er sie meiner Meinung nach erzählt, unser aller Geschichte, die genauso gewesen sein könnte, und wahrscheinlich doch nie so stattgefunden hat.

Cover des Buches Die Venus aus dem Eis (ISBN: 9783813503760)

Rezension zu "Die Venus aus dem Eis" von Nicholas J. Conard

Rezension zu "Die Venus aus dem Eis" von Nicholas J. Conard
Ein LovelyBooks-Nutzervor 13 Jahren

Ein archäoliterarischer Versuch – oder: wie vor 40000 Jahren unsere Kultur entstand

Mit „Die Venus aus dem Eis“ betritt der Leser die menschliche Urzeit und trifft sowohl auf die ersten modernen Menschen – homo sapiens –, als auch auf die Neandertaler – homo neanderthalensis – und verfolgt, wie jene Kultur entstand, die den modernen Menschen von den ganzen anderen Lebewesen im Tierreich unterscheidet.

Vor drei Jahren fand ein Team von Archäologen bei Ausgrabungen am Südfuß der Schwäbisch Alb eine sensationelle Entdeckung: eine etwa sechs Zentimeter hohe aus Mammut-Elfenbein geschnitzte Venusfigur und unabhängig davon einige geschnitzte Flöten. Dir Archäologen um den Grabungsleiter Nicholas Conrad waren sich bereits zu Anfang ziemlich sicher, dass sie den Anbeginn der menschlichen Kultur vor sich hatten. Nach einigen Analysen konnte der Fund auf ein Alter von 31000 – 35000 Jahre datiert werden, was bedeutet, dass die Kultur ihren Anfang vor ungefähr 40000 Jahren mitten in Deutschland nahm.

Seit dem Fund beschäftigen sich, wie auch schon bevor, wenn auch jetzt mit höherer Intensität, Archäologen, Anthropologen und immer mehr Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtung mit der Entstehung der menschlichen Kultur. Doch eines steht seit dem Fund fest: die menschliche Kultur entstand in Deutschland, zu jener Zeit, als die letzten Neandertaler auf die ersten modernen Menschen trafen!

Nicholas Conrad ist Leiter der Abteilung Ältere Urgeschichte an der Universität Tübingen und gehört zu den Entdeckern der Venus aus dem Hohlen Fels und beschäftigt sich seit September 2008 mit dem Funk. Als Wissenschaftler muss er seine Aussagen belegen, weshalb ein rein spekulatives Buch über den genauen Anfang der Kultur nicht möglich ist, doch glücklicherweise gibt es Literaturwissenschaftlicher, die diese Lücke füllen können. Jürgen Wertheimer ist Professor für Neuere Deutsche Literatur und Komparistik, ebenfalls an der Universität Tübingen, hat sich mit dem Conrad zusammengetan und „Die Venus aus dem Eis“ geschrieben – einen archäoliterarischen Versuch über die Anfänge der Kultur.

In dem Buch schreiben die beiden Professoren eine Art Novelle, die von der jungen Neandertalerin Khar erzählt. Khar wird von ihrer Gruppe getrennt und lebt von dem an bei einer Gruppe von modernen Menschen. Khar wird zum Bindeglied zwischen alter und neuer Welt – und zum Beginn der menschlichen Kultur.

Conrad und Wertheimer schreiben eine sehr anschauliche und abenteuerliche Geschichte über die Frühzeit des Menschen und die Kultur und verstehen es, die Leser zu packen, was vor allem an den Möglichkeiten dieses Buches liegt: eine Reise in die Steinzeit, eine Reise zu den Neandertalern und eine Reise zum Beginn des Menschseins.

Sowohl sprachlich, wie auch inhaltlich ist dieses Buch ausgezeichnet ausgearbeitet und bietet viel Potential, das die Autoren wissen zu nutzen. Doch gleichzeitig zeigt dieses Buch eine große Schwäche: viel zu viele langatmige Stellen! Gerade jene Passagen, die zwischen den zentralen Stellen in diesem Buch liegen, wirken viel zu langatmig und als einfache Bindeglieder, um die Story langzuziehen.

Meiner Meinung nach könnte dieses Buch viel besser gemacht werden, nämlich indem die Geschichte auf ein Minimum gekürzt wird, soweit, dass nur noch die zentralen Stellen, mit einigen kleinen Bindestücken, vorhanden sind und der Rest des Buches würde aus einen rein wissenschaftlich-faktischen Teil bestehen, der von dem Fund schildert, die Analysen und die daraus gezogenen Schlüsse.

Insgesamt ein interessantes Buch, das auf literarische Art und Weise von den Anfängen der Kultur erzählt und mit tollem Inhalt und grandioser Sprache lockt und verführt. Doch gleichzeitig gibt es viel zu viele, sich in die Länge ziehende Passagen, die den Lesefluss unheimlich unterbrechen. Hier wären weniger Literatur und mehr Sachwissen definitiv besser gewesen!

Erstveröffentlichung auf http://literaturecosmos.wordpress.com/

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