Cover des Buches Nummer Drei (ISBN: 9783492703062)
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Rezension zu Nummer Drei von Nicholas Lake

Verklärung der Piraterie

von anushka vor 10 Jahren

Rezension

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anushkavor 10 Jahren
Amy ist in ihrer rebellischen Phase. Sie hat mehrere Piercings im Gesicht und wegen absichtlichen Fehlverhaltens wird sie von den Abschlussprüfungen ausgeschlossen. Hinzu kommt ein Tochter-Vater-Schwiegermutter-Konflikt und unverarbeitete Trauer. Also entschließt sich Amys Vater, der vielbeschäftigte Banker, für eine mehrmonatige Auszeit auf hoher See. Vor Somalia gerät die Yacht dabei in die Hände von Piraten. Ab sofort haben die Geiseln keine Namen mehr, sondern nur noch Nummern. Das geforderte Lösegeld beträgt mehrere Millionen. Wird der Besitzer das Geld aufbringen? Und wird die Freilassung nach Plan verlaufen? Und was entwickelt sich da langsam zwischen Amy und dem jungen Piraten Farouz?

Als Protagonistin ist mir Amy gehörig auf die Nerven gegangen. Nun gut, ich bin altersmäßig nicht mehr in der Zielgruppe und auch Amys Alter ist bei mir schon eine Weile her. Aber dass sich ein Mädchen mit 18 derart naiv und verklärt verhält, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Auch der Prozess des Abrutschens in das Stockholm-Syndrom ist für mich nicht glaubhaft dargestellt. Amy ist eigentlich von Anfang an von Farouz fasziniert, obwohl immer wieder Situationen entstehen, in denen seine Loyalitäten mehr als deutlich werden. Letztlich entpuppen sich aber die meisten der Piraten dann doch immer wieder als edle Ganoven, die das alles nur aus reiner Not und ohne jegliche Schädigungsabsichten tun. Amy, in ihrer Herkunft sehr reich, weiß natürlich nichts vom Elend in der dritten Welt und staunt ein ums andere Mal, wie es doch in Afrika so zugeht. Na gut, vielleicht wissen das wirklich nicht alle Jugendlichen, die dieses Buch lesen und könnten dabei noch etwas lernen. Aber Amy dürfte dafür nicht so viel Identifikationspotential bieten, denn wenige Leser der Zielgruppe dürften solch ein reiches Umfeld haben. Und da ich nun schon einmal "na gut" geschrieben habe, hier gleich mein nächster Kritikpunkt: ich finde die Übersetzung nicht sonderlich gelungen. Amy sagt in den unpassendsten Momenten und Situationen "Oh, na gut" (im Original "oh, okay"?), dass ich mich gefragt habe, was das eigentlich soll. Außerdem flucht sie immer mit "Jesus", was im Englischen ja gängig sein mag, es im Deutschen so aber nicht ist und irgendwie fehl am Platz wirkt bzw. auch anstößig für eventuell gläubige Leser.

Insgesamt wirkte mir die Thematik der modernen Piraterie zu verklärt und die Piraten zu gutmütig, was mir zeigt, dass das Thema eventuell nicht für ein Jugendbuch geeignet ist oder hier eben nicht gelungen umgesetzt werden konnte. Wenn man das echte Weltgeschehen verfolgt, entsteht doch ein ziemlich anderer Eindruck von (somalischen) Piraten. Letztlich scheint die Botschaft herüberzukommen, dass die Piraten irgendwie im Recht sind und Amys Vater ist derart umsympathisch gezeichnet, dass es ihm schon fast wieder recht geschieht. Auch die Angst in den brenzligen Situationen konnte dieses Buch für mich nicht gut transportieren. Schließlich geht es hier um Leben oder einen grausamen Tod.

Ich bin letztlich enttäuscht von diesem Buch, auch wenn es sich um ein Jugendbuch handelt und meine Erwachsenenansprüche vielleicht etwas fehl am Platz sind. Aber dieses Buch hatte meiner Meinung nach sehr damit zu kämpfen, ein wichtiges und sehr ernstes Thema für die Zielgruppe passend aufzubereiten. Und hat dabei leider versagt.
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