Cover des Buches Ich bin mal eben wieder tot (ISBN: 9783426789186)
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Rezension zu Ich bin mal eben wieder tot von Nicholas Müller

"Die Liebe zu mir selbst musste zuerst genesen"

von Dr_M vor 7 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 7 Jahren
Wichtig erscheint mir zuerst eine ganz einfache Bemerkung: Dies ist kein Selbsthilfebuch. Vielmehr ein Erfahrungsbericht, der Betroffenen wenig oder gar nicht helfen wird, außer sie nehmen aus diesen Beschreibungen mit, dass sie nicht alleine mit ihren Problemen sind. Aber auch das ist ein geringer Trost, wenn sich das Leben so anfühlt, wie es Nicholas Müller beschreibt. Übrigens steht der Inhalt des Buches schon im Untertitel. Es heißt nicht etwa, wie ich die Angst besiegte, sondern wie ich mit der Angst zu leben lernte.

Natürlich kann man dieses Buch aus Solidarität, Mitleid oder als Fan des Autors prima finden. Man kann Müller auch für die ehrliche Art und den Tonfall seines Berichtes loben. Das aber sind alles Bekenntnisse eines abseits stehenden Publikums, das eigentlich wenig oder keine Ahnung von den Problemen besitzt, mit denen Nicholas Müller zu kämpfen hatte oder wohl auch heute noch gelegentlich kämpft. Die Anfälle kommen plötzlich und eigentlich immer zur falschen Zeit. Man weiß nicht wirklich, was mit einem los ist und man kennt die Ursache dafür nicht. Bei Müller kann man den erstmaligen Auslöser fixieren, nicht aber den tatsächlich physiologischen Zusammenhang, der irgendwo in ihm versteckt ist. Warum die Biochemie des Körpers plötzlich verrücktspielt, bleibt ebenso ein Rätsel, wie die nicht immer zu identifizierenden unmittelbaren Auslöser dafür. Offenbar verschwindet das Ganze auch nicht durch Therapien. Wie auch, wenn man nicht an die Wurzel des Übels kommt?

Wenn wie beim Autor der berufliche Werdegang leidet, die Ehe in die Brüche geht – wie soll da Halt entstehen? Wo ist das Ende dieser leidigen Spirale, wenn sie auf ihrem zerstörerischen Weg immer neue Gründe für Angst schafft? Heilung kann eigentlich nur von innen kommen, weil die Konstruktion, mit der sich Müller die Welt erklärte, offenbar einen grundsätzlichen Fehler hatte, der bisher nicht völlig beseitigt werden konnte. Sicher scheint nur, dass der schnell hintereinander folgende Verlust von Mutter und Großmutter die Wirkung dieses Konstruktionsmangels erst zur vollen Ausprägung kommen ließ. Vielleicht kann man diesen Fehler gar nicht beseitigen und muss tatsächlich lernen, wie man mit ihm umgehen soll. Klar wird das jedenfalls aus diesem Buch nicht. Das wiederum kann man ihm nicht vorwerfen, denn es ist nur ein Bericht, vielleicht ein Hilferuf zum Verständnis an andere, die nicht wissen, welche irrwitzigen Vorgänge sich im Körper eines Betroffenen abspielen, wenn das Unheil wieder einmal zuschlägt.

Helfen kann eigentlich wohl nur ein anderer Umgang mit sich selbst. So jedenfalls habe ich den Autor verstanden. Leider wird im Buch nicht wirklich deutlich, was sein Autor eigentlich verändert hat, um nun besser mit seiner Angststörung klarzukommen. Was also wirklich bleibt, sind die Beschreibungen solcher plötzlichen Zustandsänderungen, die er sehr eindrucksvoll zum Leser transportiert. Wer sich das vorher nicht vorstellen konnte, wird es danach wenigstens intellektuell verstanden haben.
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