So etwas kann schief gehen. Ein Musiker. Einer der ganz Großen. Eine Autobiografie. Keine Autobiografie. Ein Gespräch. Ein anderer Musiker. Musikjournalist. Viele Gespräche. Telefongespräche während der Pandemie. So etwas kann schnell nach Merch und nach Langeweile riechen.
Aber das ist Nick Cave, das ist manisch, das ist obsessiv, das ist kompulsiv, das ist introspektiv, das ist ehrgeizig und das ist mit jeder Faser des Geschriebenen interessant.
»Du kannst mich alles fragen. Es gibt keinen Moderator. Das ist etwas zwischen dir und mir. Mal schauen, was dabei herauskommt« ist das Prinzip von 𝑇ℎ𝑒 𝑅𝑒𝑑 𝐻𝑎𝑛𝑑 𝐹𝑖𝑙𝑒𝑠, in dem wir alle Nick Cave schreiben können, er uns aufrichtig und direkt zu antworten bereit ist. Und es ist das Prinzip dieses Interviews. Nick Cave redet über Nick Cave, und Séan O'Hagan ist ein im Halbschatten bleibender Fragender. An den richtigen Stellen hinterfragt O'Hagan die Darstellungen, zieht Bezüge, die Cave nicht zieht, tritt nahe. Cave ist aufrichtig bemüht, nicht auszuweichen. Das Gespräch richtet sich auf die Musik in der Entstehung, auf die für ihn heiligen Momente der Konzerte und auf sein Leben. Der Tod von Arthur, der 15jährig in einem LDS-Tripp von einer Klippe stürzte, ist dabei ein Fixpunkt.
Gefragt nach der Essenz seines Charakters, sagt Cave »Es hat etwas mit Schönheit und Traurigkeit zu tun...Oder auch mit der Nähe zwischen den beiden.« Dieser Text ist genau das, er ist schön, traurig und von einer optimistischen Stärke, die nährend ist. Wir müssen nicht so leben wie Cave und auch seine tief empfundene Religiosität nicht teilen, wir brauchen nur Offenheit, um die Universalität der aufgeworfen Themen anzunehmen. Aus Cave und seiner Kunst fließt eine Kraft, die eine strömende Wirkung auf mich hat, offen, weit, liebend, friedlich und dankbar reagiere ich. Für Personenkult bin ich nicht sehr empfänglich, aber das ist Nick Cave und er macht einen Unterschied für mich und meine Welt, vielleicht auch für deine.
Nick Cave
Lebenslauf von Nick Cave
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Nick Cave
Der Tod des Bunny Munro
Und die Eselin sah den Engel
Glaube, Hoffnung und Gemetzel
The Sick Bag Song
Der Tod des Bunny Munro
The Death of Bunny Munro
And the Ass Saw the Angel
Nick Cave: Und die Eselin sah den Engel
Neue Rezensionen zu Nick Cave
Rezension zu "Glaube, Hoffnung und Gemetzel" von Nick Cave
Musikalisch ist Nick Cave abgesehen von seinem Duett mit Kylie Minogue nicht wirklich mein Fall. Aber „Glaube, Hoffnung und Gemetzel“, das Buch, das der Musikjournalist Seán O’Hagan basierend auf gut 40 Stunden Interviewmaterial mit dem Musiker geschrieben hat, hat mir Nick Cave tatsächlich nähergebracht, als ich es je für möglich gehalten hätte. Die covidbedingt per Telefon geführten Gespräche zwischen den beiden geben einen tiefen Einblick in die Person Nick Cave – oder zumindest in das, was er anderen Menschen zeigen möchte. Wie er wirklich ist? Wer weiß das schon. Manchmal hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass er es oft selbst nicht weiß und dass der bekennende Interview-Hasser („Na ja, wer gibt schon gerne Interviews? Interviews sind grundsätzlich beschissen.“) während des Gesprächs selbst neue Facetten an sich erkannte. Auf jeden Fall war es für mich ein interessantes Buch mit neuen Denk-Ansätzen zu Religion und Leben und vielen philosophischen und tiefgründigen Exkursen.
Aber von vorn.
Das Buch ist von allem ein bisschen. Es ist eine Mischung aus erzählter nachdenklicher Autobiografie, Momentaufnahme über Familie und Karriere, Überlegungen zu Weggefährten und immer wieder die Rückkehr (vom Interviewer meiner Meinung nach fast zu oft ein bisschen manipulativ erzwungen) auf den Tod seines 15jährigen Sohnes Arthur, der zu dem Zeitpunkt sieben Jahre zurücklag. Cave erzählt teils launig, teils tiefgründig-philosophisch über seine Kindheit, seine Eltern, seine Zeit an der Kunstschule, als Heroinsüchtiger, über Entzug, Partnerschaften, seinen Glauben, seine Zweifel und Ängste und natürlich immer wieder über Musik. So erfährt man, wie manche Texte entstanden sind und welche Bedeutung sie für ihn haben. Und es geht immer wieder um Verluste. So hat Nick Cave nicht nur seinen Sohn und mehrere Freunde innerhalb weniger Jahre verloren. So starb seine ehemalige Partnerin Anita Lane 2021 und Caves Mutter starb im ersten Pandemie-Jahr (die Interview-Sessions begannen im Sommer 2020 und endeten im August 2021). Wegen der Corona-Regeln in Australien konnte er sie nur per IPhone noch einmal sehen und auch nicht zu ihrer Beerdigung reisen. Inzwischen musste Nick Cave noch einen zweiten Sohn zu Grabe tragen, was Seán O’Hagan im Nachwort schreibt: sein Sohn Jethro starb zwischen dem letzten Interview und der Drucklegung des Buchs.
Und dennoch besteht Caves Leben nicht nur aus Glauben und Gemetzel, sondern durchaus auch aus Hoffnung. Darauf, dass bessere Zeiten kommen werden. Dass Arbeit als Antidepressivum hilft. Ein Buch mit viel Nachdenken über Reue, Vergebung und immer wieder Trauer. Obwohl man als Leser abseits des Interviews sitzt, hatte ich doch ein bisschen das Gefühl, dabei zu sein. Der auf der Bühne auf mich oft ungelenk wirkende Cave erwies sich als feinsinniger und feingeistiger, äußerst belesener (vor allem auch bibelfester), nachdenklicher Mensch und als intelligenter und interessanter Gesprächspartner, der mit den Antworten auf die Fragen ein erschütterndes und unter die Haut gehendes Buch ermöglicht hat. Er ist dazu vielseitig begabt (neben der Musik hat er sich auch als Autor und Schauspieler einen Namen gemacht) und noch vielseitiger interessiert (er ist kunst-affin und hatte eine Zeitlang die Kunstschule besucht). Für mich war das eine völlig neue Seite, und das Buch hat mich auf jeden Fall dazu gebracht, mich näher mit der Person Nick Cave und seiner Musik zu befassen. Vor allem, da so viele seiner Songtexte angesprochen werden. Jetzt, wo ich weiß, was sie für den Künstler bedeuten, möchte ich wissen, was sie für mich bedeuten würden.
Für mich also ein Buch, das zwischen manchen banalen und trivialen Passagen mit wichtigen, lehrreichen und starken Botschaften aufwartet. Von mir daher fünf Sterne.
Für alle Fans von NIck Cave - einmal ein großes Interview.
Kein Gemetzel aber viel über Glaube und Hoffnung und das Leben.
Mehrere Unterhaltung während der Corona-Zeiten als alles heruntergefahren war, keiner durch die Welt tourte, sondern zuhause sass, um über das Bleibende nachzudenken.
Wer Nick Cave mag wird das Buch gerne lesen auch wenn es keine neue "Wahrheiten" über den KÜnstler gibt, aber um das "Sein" als Künstler
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Zusätzliche Informationen
Nick Cave wurde am 22. September 1957 in Warracknabeal (Australien) geboren.
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