Cover des Buches Polizei am Limit (ISBN: 9783499632389)
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Rezension zu Polizei am Limit von Nick Hein

"Wenn es so ist, dann sollen die Leute das auch wissen"

von Dr_M vor 7 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 7 Jahren
Ex-Polizist Nick Hein war gerade in Thailand im Urlaub als ihn die Ereignisse der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte überraschten. Der Kölner Hauptbahnhof war einmal seine Dienststelle gewesen. Also setzte er sich hin und formulierte einen Facebook-Eintrag, traute sich aber zunächst nicht, ihn zu veröffentlichen. Erst seine Frau musste ihn mit dem obigen Satz ein wenig Mut einhauchen. Schließlich könnten einige Menschen das alles falsch verstehen. Und irgendwie ist das wahrscheinlich viel gefährlicher als die Wahrheit.

Nun also ist aus diesem ursprünglichen Facebook-Eintrag ein ganzes Buch geworden. Wer sich für die Hintergründe der damaligen Ereignisse und den Zustand der deutschen Polizei inzwischen ein wenig interessiert hat, den kann der Inhalt dieses Buches nicht wirklich überraschen, denn viel Neues weiß Nick Hein nicht zu berichten. Er ist nur ein weiterer Kronzeuge für die Folgen einer desaströsen Kaputtsparpolitik an der Polizei und für die Stimmungslage unter seinen ehemaligen Kollegen. Das Ganze verpackt Hein dann auch sehr vorsichtig, um möglichst keinen politisch unkorrekten Schaden zu hinterlassen.

Was also erfährt man als Leser? Nach offizieller Lesart konnte man die Ereignisse dieser Silvesternacht nicht vorausahnen. Bei Hein liest man jedoch, dass kriminelle nordafrikanische Banden seit 2012 am Hauptbahnhof ihr Unwesen treiben, nachdem sie dort die Konkurrenz vom Balkan verdrängt hatten. Taschendiebstähle mit der Antanzmethode waren dabei immer die Hauptmasche. Hein erklärt, dass diese Tätergruppe nicht nur zunehmend den Respekt vor der deutschen Staatsmacht verlor, sondern sich auch sicher war, dass ihr nicht viel passieren kann. Wieso kam eigentlich niemand auf die naheliegende Idee, dass diese Banden gerade zu Silvester auf besonderen Profit hofften? Auch bei Hein findet man einen solchen Gedanken nicht.

Stattdessen befasst er sich seitenlang unter Zuhilfenahme von inzwischen nicht mehr besonders vertrauenswürdigen Statistiken mit der Frage, ob denn die Zuwanderer krimineller seien als die Einheimischen, um daraus dann zu schließen: "Für eines können die jedenfalls die Silvesterereignisse nicht herhalten: nämlich für die Behauptung, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen überwiegend Kriminelle ins Land gespült hat." Abgesehen davon, dass das niemand ernsthaft behauptet hat, ist dies eine aberwitzige Herangehensweise. Wenn jemand in Deutschland Asyl beantragt, dann erwartet man doch wohl, dass es sich um tatsächlich Verfolgte und Schutzbedürftige handelt, die somit viel weniger kriminell sein sollten als irgendein Durchschnitt. Dazu gehören die Täter dieser Nacht jedoch keineswegs. Und man fragt sich, was diese Leute hier noch zu suchen hatten.

Abgesehen von diesem politisch korrekten Eiertanz findet der Leser in diesem Buch noch zahlreiche Fakten, die allerdings größtenteils bekannt sind, die aber aus dem Mund eines ehemaligen Polizisten einen speziellen Nachdruck erhalten. Erstens wurden im Sommer und Herbst 2015 von den meisten illegal eingereisten Ausländern keine Fingerabdrücke genommen. Und zweitens ist die Ausstattung und die Ausrüstung der Polizei in NRW ein einziges Desaster: Die IT-Systeme sind überaltert und leicht angreifbar. Der Polizeifunk hinkt den Erfordernissen meilenweit hinter und funktioniert nicht zuverlässig. Die Behörden sind chronisch unterbesetzt, das Personal ist mental und physisch schon jahrelang jenseits der Belastungsgrenze. Die Ausrüstung der Beamten ist qualitativ minderwertig. Viele Beamte müssen sich privat besser ausrüsten, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Hein beispielsweise kaufte sich erst einmal eine ordentliche amerikanische Taschenlampe, um bei seinen nächtlichen Einsätzen etwas zu sehen.

Angesichts dieser Tatsachen und dem fehlenden politischen Rückhalt für die Polizei muss man sich nicht über die zunehmende Respektlosigkeit ihr gegenüber wundern. Obwohl sich Hein wirklich nach Kräften bemüht, ein politisch korrekter Ex-Polizist zu sein, so beschreibt er doch die Abwärtsspirale, in denen sich die exekutiven Organe des deutschen Staates befinden, recht treffend. Beruhigend wirkt dieses Buch jedenfalls nicht.
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