Cover des Buches Die Rolle meines Lebens (ISBN: 9783498021269)
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Rezension zu Die Rolle meines Lebens von Nicolas Fargues

Rezension zu "Die Rolle meines Lebens" von Nicolas Fargues

von HeikeG vor 15 Jahren

Rezension

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HeikeGvor 15 Jahren
"Splitternackt, ohne Haargel und Strom sind wir alle gleich" . Nicht nur ein Schauspieler muss sie im Laufe seines Berufslebens möglichst überzeugend spielen, auch im wahren Leben ist das Hineinschlüpfen in eine Rolle unumgänglich. Dabei geht es nicht um signifikantes Verbiegen, sondern darum, den Kern seiner Persönlichkeit darzustellen. Das ist alles andere als leicht, denn auf verschiedensten Lebensgebieten gilt es, die eigene Identität zu finden, die dann summa summarum die eigene Gesamtidentität, d. h. das eigene Selbst ausmacht. . Antoine, der Protagonist und Ich-Erzähler in Nicolas Fargues' neuem Roman "Die Rolle meines Lebens" verkörpert dieses Rollensuchen gleich auf doppelte Art und Weise. Zum einen ist er Schauspieler und hat es gerade durch einen filmischen Überraschungserfolg, in dem er die Hauptrolle spielt, zu mittelmäßiger Bekanntheit, zum "halben Star" gebracht. Jedenfalls erkennt man ihn von Zeit zu Zeit auf der Straße, man lädt ihn in Frühstücksfernsehshows ein und alte Klassenkameraden wollen ihn als Berühmtheit ihrem näheren Umfeld vorstellen. So geschehen bei seinem ehemaligen Mitschüler Bernard Mélikian, seines Zeichens Lehrer, der Antoine zu einem Auftritt vor seiner Klasse bewegen möchte. Zum anderen jedoch sucht der narzisstische Frauenheld auch ganz explizit nach der eigenen Identität, die - und das wird im Laufe des Buches immer ersichtlicher - ihm offensichtlich ganz und gar abhanden gekommen ist bzw. die Antoine offensichtlich noch nie gefunden hat. Der "Möchtegern-Star" hat einen schwarzen Vater, der mit seiner Familie in der Karibik lebt. Antoine ist dessen uneheliches Kind mit einer blonden Französin. Die genetischen Einflüsse seines Vaters sind jedoch nicht zu übersehen. . Trotz der schmeichelhaften Rolle, die Fargues' Protagonist in der Öffentlichkeit und in seiner Familie spielt, kämpft jener mit Selbstzweifeln und hadert mit seiner französisch-karibischen Herkunft. Auch wenn sein ehemaliger Schulkamerad Mélikian "mit seiner krummen Haltung und seinen grau melierten Haaren", nicht so schön, nicht so groß und dessen Haut nicht so straff wie die seine ist, so hat dieser doch offensichtlich seinen Platz im Leben gefunden, was Antoine nach einem gemeinsamen Abendessen und dem darauffolgenden Tag bei dessen Schulklasse feststellt. . Offensichtlich hat der französische Autor zwei Aspekte seiner eigenen Biografie in diesem Roman verklausuliert, die ihm ganz mutmaßlich zu Schaffen machen. Denn auch Fargues hat diese Identitätssuche am eigenen Leib erfahren; er wuchs in Kamerun auf. In einem Interview erzählt der 37-jährige, der sich eher als Weltbürger, denn als Franzose sieht, dass dadurch die Frage des von Missverständnissen und Verdächtigungen geprägten Verhältnisses zwischen Schwarzen und Weißen ganz natürlich Eingang in seinen Roman fand. Sein Held Antoine fühlt sich verloren, nicht anerkannt von der feinen Pariser Gesellschaft. Zum karibischen Teil seiner Familie, die er im Laufe des Romans besucht, gehört er ebenfalls nicht dazu. Dort wird er als verwöhnter Weißer stigmatisiert. . "Die Rolle meines Lebens" erzählt von der Suche nach der eigenen Identität und wie man dabei die Aufrichtigkeit gegenüber sich selbst und seiner Umwelt bewahren kann. Nicolas Fargues' Protagonist scheint dieses Rollenspiel, die Klaviatur des Lebens, noch nicht gekonnt zu spielen. Antoine erliegt der in der heutigen Gesellschaft immer mehr um sich greifenden, künstlichen und illusorischen Suche nach Berühmtheit. Der Autor wirft einen ironischen Blick auf die blinde Faszination für Ruhm und Startum. "Ich wollte zeigen, wie künstlich die Beziehung zwischen den Menschen sind und wie einsam man letztlich ist.", erzählt der Fargues. "Mein Buch ist ein Manifest der Einsamkeit." . Leider gelingt ihm die Umsetzung nicht schlüssig und vor allem nicht durchgängig. Trotz einiger durchaus lesenswerter Passagen ist das Buch in seiner Gesamtheit wenig konsistent. Seitenlange Monologe "ohne Punkt und Komma" und Antoines ständiges "Ich dachte" oder "Ich hätte" zeugen von einem sprachlich unambitionierten Werk. Fargues lässt seinen Protagonisten am Anfang des Romans sinnieren, "dass die wahre Vollendung von Coolness in einer gewandten Sprachbeherrschung liegt." Diese verweigert der Autor dem Leser jedoch selbst ein wenig.
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