"Mit den Gedanken daran, was auf dem Dachboden geschehen war, kamen auch Angst und Furcht zurück. Selbst der Versuch, mutig zu wirken, wurde unmöglich. Leas Herz pochte wie verrückt, ließ sich nicht kontrollieren, sondern wollte davonstürmen, einem Pferd im wilden Galopp gleich. Die Bemühungen langsam zu atmen und sich zu konzentrieren wurden immer schwerer. Gerade so konnte die Panik noch unterdrückt werden, doch ein Funke würde genügen, um alle Selbstbeherrschung zu zerbrechen."
Die 17-jährige Lea zieht mit ihren Eltern überstürzt von der Großstadt aufs Land. Pulsierendes Leben gegen tröge Einöde: eine Schnapsidee ihres Vaters, der hier auf einen Neuanfang mit seiner Frau und seiner Tochter hofft. Lieber gestern als heute möchte Lea wieder abreisen, obwohl die noble Villa am See Veränderung verspricht. Veränderung, die sie alle so dringend brauchen.
Doch statt der ersehnten Idylle gibt es unangenehme Fragen: Wie können sie sich so ein Anwesen überhaupt leisten? Warum tuscheln die Bewohner im Ort hinter vorgehaltener Hand über das sagenumwobene "Geisterhaus"? Und kann ein schweres Schicksal eine Familie vereinen oder treibt es sie gar immer weiter auseinander?
Gefangen in ihren eigenen Gefühlen ist es für Lea und ihre Eltern nicht leicht, sich für die Sorgen und Nöte des anderen zu öffnen. Daran kann auch der Ortswechsel nicht wirklich etwas ändern.
Und als hätte Lea nicht schon genug eigene Probleme im Gepäck, tauchen schnell neue, schier unüberwindbare Hürden auf: blutige Schriftzüge an den Wänden, undefinierbare Geräusche auf dem Dachboden und unliebsamer Besuch in der Nacht. Zusätzlich gequält von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen glaubt Lea verrückt zu werden, pendelt ständig zwischen Angst, Verzweiflung und Hoffnung. Was ist wahr und was nicht? Doch sind es wirklich Geister, die in der Nacht hier ihr Unwesen treiben? Lea macht sich auf die Suche nach der Wahrheit.
Der Schreibstil der Autorin ist leicht zu lesen, eingängig und weckt sofort Bilder in meinem Kopf. Gruselige Bilder. Kennt ihr dieses Gefühl etwas nicht sehen zu wollen, aber trotzdem hinschauen zu müssen? So ging es mir mit dieser Geschichte. Man kann einfach nicht aufhören zu lesen. Die Autorin spielt geschickt mit Geräuschen, Bildern und Gerüchen. Manchmal hat man das Gefühl, die Buchseiten vibrieren zu sehen - oder sind es die vibrierenden Nackenhaare, die sich beim Lesen aufstellen, der eigene beschleunigte Puls oder der schnelle Atem? Solche Geschichten habe ich früher am Lagerfeuer geliebt und ich bin mir sicher, dass sich diese hier mindestens genausogut dafür eignet.
"Die Geister der Vergessenen" erschien im November 2018 im BeDa, Tusch & Theo – Der Autorenverlag. und ist als E-Book und Printversion erhältlich.
Titel und Cover sind für mich stimmig mit der Geschichte: eine alte, noble Villa, verlassen am Ortsrand, mit einer Vergangenheit, die (noch) im Dunkeln liegt. Und obwohl ich eigentlich kein Freund von Geistergeschichten bin, hat mich das Cover zusammen mit dem Klappentext neugierig auf das Buch gemacht. Außerdem mag ich die liebevollen Details, wie das einprägsame Verlagslogo mit dem Leuchtturm und die Abbildung hinter dem Autorennamen, die sich auch im Buch - an jedem Kapitelende - wiederfindet.
Fazit:
Ein gelungenes Debüt, das ich, einmal angefangen, nicht wieder aus der Hand legen konnte. Kurzweilig, gruselig und spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Ich hoffe, bei mir fällt heute Nacht nicht das Licht aus. Meine absolute Leseempfehlung!
Ein atmosphärisch dichtes Grusel-Debüt