Cover des Buches Stadtrandritter (ISBN: 9783499216145)
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Rezension zu Stadtrandritter von Nils Mohl

Das Thema ist nicht Glaube, eher Unglaube

von Sonnenwind vor 10 Jahren

Rezension

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Sonnenwindvor 10 Jahren
Geschafft! Endlich geschafft! Mit viel Disziplin und einer ganzen Reihe anderer Bücher zum "Mut anlesen" zwischendrin. Dieses Buch hat auf alle Fälle gute Chancen, sich unter die größten Katastrophen der letzten dreißig Jahre einzuordnen - und dabei einen guten Platz zu schaffen. Man sollte sich nicht für Bücher bewerben, zu denen es keine Leseprobe gibt. Das war ein Fehler, und ich habe es schon bitter bereut.

Die Sprache ist das eine. Ich habe nichts gegen Programmcode, aber alles an seinem Platz; ich halte auch Adjektive nicht für das Wichtigste am Schreiben, aber wenn sie so selten sind, daß das einem Ereignis gleichkommt, ist das für mich nicht mehr reizvoll. Anspruchsvolle Bücher liebe ich, darin kann ich mich vertiefen. Aber der Anspruch sollte sich auch auf den Inhalt erstrecken und nicht alle möglichen Irrungen und Wirrungen glorifizieren - und nebenher nur noch Luftblasen bieten.

Der Pastor, eine der Hauptpersonen im Buch, predigt auf einer Beerdigung(!), die Trauer soll die LebensWUT wecken (S. 200)! Wer hat denn schon solchen Blödsinn gehört? Eine Beerdigung ist die beste Möglichkeit, die Teilnehmer darauf aufmerksam zu machen, daß auch ihr Leben ein Ende hat und sie sich darauf vorbereiten müssen, für das, was sie getan haben, Rechenschaft abzulegen. Stattdessen ist die wiedergegebene Predigt leerer als Luft. Erschreckend!

Der Pfarrer raucht (S. 348 u.a.), trinkt (S. 273 u.a.), benimmt sich auf sexueller Ebene völlig daneben (S. 258 und vor allem am Schluß) - aber erdreistet sich trotzdem, sich als Vertreter Gottes auf Erden betrachten zu lassen. Seine Predigten sind leer, die Gute Botschaft kommt nicht vor. Dieser Mann hat offensichtlich überhaupt keine Ahnung vom Inhalt des Evangeliums.

Die Protagonistin Merle kommentiert über den Pastor: "Ein Erwachsener, bei dem man nicht sieht, wie sich der Aufziehschlüssel im Rücken dreht (S. 214)." Gemeint ist es sicherlich nicht, aber ich verstehe es so, daß man den Schlüssel nur nicht sieht. Denn dieser Pastor hat offensichtlich seinen Beruf nicht verstanden und wäre besser etwas ohne Kundenkontakt geworden.

Als Zeichen dafür findet in dieser Gemeinde (gibt es da keine Presbyter, Gemeindeälteste oder was auch immer?) der Konfirmandenunterricht nur einmal im Monat statt. Das dann sicherlich auch nur ein Jahr lang, was den kirchlichen Unterricht auf eine handvoll Stunden insgesamt zusammenschrumpfen läßt. Wie sollen auf diese Art verantwortliche Gemeindeglieder erzogen werden? Was aber wohl auch nicht die Absicht ist, denn es wird sich lustig gehengelassen. Man gewinnt nicht den Eindruck, hier wird Evangelium verdeutlicht oder auch nur verkündigt.

Manche Szenen haben mich fatal an "Der Agent des Satans" von Mike Warnke erinnert, ein Tatsachenbericht, bei dem man frösteln kann. Genau auf dieser Ebene bewegt sich dieses Buch.

Die "Stadtrandritter" sind gar keine Ritter. Der Name kommt vom Tisch im Büro des Pastors, und Ritter werden außer ein paarmal in Bezug auf die Jugendmitarbeiter nur am Ende kurz erwähnt. Aber der Pastor ist auch kein richtiger Pastor, kein Hirte der Schafe. Er vertritt eher die ältere Generation, die den Sinn im Leben noch nicht entdeckt hat.

Das ganze Buch ist ein Irrlicht. Es soll um Glauben gehen, aber es kommt keiner vor. Nur Kleingangster, die andere quälen, in Kirchengebäuden und sonstwie saufende und rauchende Jugendliche, aus dem Ruder laufende Veranstaltungen und was man sich sonst noch vorstellen kann, um anständige Eltern zu verschrecken. Eine heiße Empfehlung von mir, dieses Buch nicht zu lesen!
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