Cover des Buches Drei Steine (ISBN: 9783957986467)
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Rezension zu Drei Steine von Nils Oskamp

Wenn ein Comic mich auf viele Arten berührt

von NiliBine70 vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Hat mich an einigen Stellen getriggert und persönlich sehr berührt! Super Material für die Schulen!!!

Rezension

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NiliBine70vor 8 Jahren

Inhalt:

Nils ist ein Kind der 80er, da verlebt er seine Teeniejahre in Dortmund-Dorstfeld, geht zur stockkonservaten Wilhelm-Busch-Schule (auf der man keine Comics lesen durfte!!!!) und muss leider sehr schmerzhaft erfahren, wie der braune Neonazi-Sumpf sein Leben schwer macht und wie blind seine Umwelt ist und offenbar sein will.

Dies ist die Geschichte, wie er dagegen aufsteht, den Finger in die Wunden legt und dies heute, 30 Jahre danach, einer Welt, die sich weiter gedreht hat und doch in vielem stehen geblieben zu sein scheint, in Form dieser biographischen Graphic Novel präsentiert und versucht, aufzuwecken, aufzurütteln.

Meine Meinung:

Wenn ein Comic mich auf viele Arten berührt

Liebe Blogleser, oder wo auch immer Euch diese Besprechung begegnet, das hier wird wirklich etwas sehr persönliches, etwas nicht alltägliches. Für mich alle Mal, für Euch vielleicht auch? Ich weiß es nicht!

Gelesen, erlesen habe ich diese Graphic Novel dank meiner „Nachbarn“ im Campus Libris, dort wandert es gerade durch unsere „Zimmer“. Als erstes war da das Interesse am Thema. Ich bin ja weder bisher blind durch mein Leben gelaufen, noch taub und dumm. Dass es eine Graphic Novel ist, das war mir erst mal gar nicht so präsent. Ich habe wie gesagt bei meinen Mitcampinisten davon gelesen und dachte, die Erfahrung mag ich auch teilen. Wirklich erst mal nicht ahnend, wie sehr die Drei Steine sich bei mir eingraben!

Dann kamen sie, es handelt sich hierbei um die kürzere Schul-Ausgabe. Klar, wenn die Schrift jetzt noch rot wäre, plakativ, anklagend, ja geradezu schreiend, wärs wahrscheinlich noch krasser. Aber so hat es mir gereicht, der Anblick des Covers... den gezeichneten 80er Jahre Nils da auf dem Schulklo-Boden liegend, das Blut aus seinem Mund.... Der erste Kloß war schnell da! Und dann ereilte mich etwas, was andere vielleicht sofort sehen, mir sprang es dann ganz böse ins Gesicht. Der Schatten, der wie ein Hakenkreuz anmutet... Wie gruselig. Bösartig. Mahnend. Drohend.

O.k., umblättern. Sich drauf einlassen. Hab ich getan! Und dann irgendwann wirklich ein sehr mulmiges Gefühl bekommen. Das emotionale an der ganzen Sache, die Berührungspunkte zu meinem eigenen Leben, die drängten sich mit Macht nach vorne.

Duisburg liegt ja nu wirklich „umme Ecke“ von Dortmund und ich selbst war in den 80ern Teenie. Der Autor und ich haben also in der gleichen Zeit tatsächlich die gleichen Entwicklungen mitbekommen oder sagen wir mal, ähnliches. Ich hatte offenbar mehr Glück.

Jetzt kommt übrigens keine Schleichwerbung, aber die Lonsdale-Klamotten, die stellen für mich einen bestimmten Bezug zu meinen wilden Jahren dar. Ich wollte immer anders sein, war wirklich kein „Mädchen“ in dem Sinn, nur manchmal und so, wie ich das wollte. Aber ich fand einfach ohne Hintergedanken die Lonsdale-Jacken toll. Zumindest zeitweilig! So mit 14, 15 Jahren hörte das dann auf, weil eine gewisse Klientel die Dinger für sich occupiert hat und ich fand das einfach nur Mist, dass ausgerechnet DIE die Jacken und denn auch noch die Doc Martens verunglimpfen! Das nehm ich denen übrigens bis heute übel. Zu dieser Zeit gab es einige Jugendliche, teilweise waren sie etwas älter wie ich, die ich vorher angehimmelt hatte, doch eben aus einem Bauchgefühl heraus gefiel es mir einfach nicht, wie sie auf einmal daher redeten, sich die Schädel rasierten...Das war nicht meine Welt! Gut, dass ich da offensichtlich ein paar Hirnzellen mehr zur Verfügung hatte und einen ganz anderen Weg eingeschlagen habe (auch wenn das an modischer Seite Verzicht bedeutete).

Die zweite Sache, die mich dann erst recht mitnahm, war das mit den zerstörten Gräbern. Ich wohne direkt neben einem Friedhof, habe als Kind viiiel Zeit da verbracht, ganz oft mit meinem Opa. Und der hat mir zwei Dinge hier gezeigt. Einmal ungekennzeichnete Gräber. Unschwer zu erraten, dass es Gräber von Juden oder vermeintlichen Juden waren. Und die Gräber der Wehrmachtsangehörigen. Hoch dekorierte Soldaten. Oder halt Angehörige des Militärs, wo die Familien was fürs Vaterland geleistet haben (ich mag mir heute wirklich nicht mehr ausmalen, was das alles beinhaltet hat!). Und diese ungekennzeichneten Gräber waren just in den 80ern ein Hort der Verwüstung. Wenn mich nicht alles täuscht, wurden sie entfernt. Auch das würde mich nicht wundern, unsere Gesellschaft ist, was dieses Thema angeht, oftmals nur konfliktbereit, wenn es medienwirksam eingesetzt werden kann.

Der dritte Punkt ist der, ich habe von Berufs wegen ab und zu mit diesen Jugendlichen zu tun. Straffälligen Jugendlichen. Manchmal erschreckt es mich. Manchmal muss ich mich beherrschen, nicht Dinge zu diesen völlig fehl geleiteten 15jährigen etwas zu sagen, was ich als Privatperson vielleicht täte, wäre das z.B. der Nachbarsjung oder der Freund meines Sohnes (so ich denn einen hätte). Kurz, mir sind im Alltag heute einfach manchmal die Hände gebunden, aber die rechte Gewalt, das Gedankengut, dass solche Kids vom Stapel lassen und dabei noch grinsen, das sind oft Themen bei den Kollegen und mir und wir müssen da irgendwie mit umgehen, ohne jegliche Contennance zu verlieren. Da wächst dann die Wut, wenn ich bedenke, dass es solche Geschichten auch gut und gerne heute noch gibt, ins unermessliche.

So, das hat mich beim Lesen, anschauen, erlesen von Drei Steine beschäftigt. Und tut es noch. Sowas legt man irgendwie nicht so schnell ab, wenn es einmal „oben“ ist!

Genauso, wie die Wut, die mich natürlich auch bei einigem, was Nils neben seiner eigenen Geschichte, so berichtet. Die Menschen sind doch immer noch nicht ganz bei Trost zum Teil, das stell ich just bei der Lektüre wieder fest. Als hätten wir nicht schon genug damit zu tun gehabt und nichts daraus gelernt. Ja, ich weiß, das ist auch so eine Phrase, die immer wieder gern hergenommen wird, aber es stimmt!

Ich wünsche mir, dass dieses Buch von vielen vielen Schulen in den Unterricht aufgenommen, besprochen, intensiv mit den Schülern besprochen wird! Und ich wünschte, wir hätten sowas damals auch gehabt, nicht nur „Holocaust“ und „Das siebte Zeichen“...

Vor dem Autor kann ich nur den Hut ziehen, Chapeau, dass er das so vermittelt, die Art und Weise ist wirklich mehr als gut gelungen! Und eine Grenze kann er damit locker überwinden, das ist die zwischen Jung und Alt! Das sieht man ja an mir *lach*

So gesehen hat Nils Oskamp mich ganz schön getriggert, mit seinen Ausführungen, Fotodokumenten, die teilweise auch verstören. Der Zeitschiene, die deutlich macht, was bis heute so noch gärt.

Nehme ich sonst noch was mit, außer den Gedanken, die Nils und meine Vergangenheit gleichermaßen berühren? Oh ja!

Das mit den 3 Steinen habe ich schon mal in einer TV-Reportage gesehen und fand es einen so schönen Brauch, dass ich mir da schon gedacht habe, ich werde mir einen schönen Stein suchen oder er sucht mich und den nehme ich dann mit. Wenn die Zeit da ist, werde ich ihn an einem Grab lassen. Als Gedenken an alle, die unter diesem Hass leiden mussten und als Mutmacher. Steine kriegt man auch nicht so schnell klein!

Und dann kann ich leider nicht anders. Ich bin ja bekannter Maßen eine Kichererbse. Und ich habe in diesem eigentlich überhaupt nicht lustigen Comic ein Bild gefunden, worüber ich mich wirklich minutenlang kaputt gelacht habe und wo ich finde, das müsste man in groß überall verteilen und aufhängen! Das ist einfach genial:

(Bild in der Blog-Rezension enthalten)

Fazit:

Ein gar nicht so leichtes Thema sehr verständlich für jung und alt näher gebracht im Rahmen einer autobiographischen Graphic Novel über rechte Gewalt, wie sie uns auch heute leider allzu präsent ist. Wenn ich könnte, würde ich diesem Titel das berühmte Prädikat „WERTVOLL“ verleihen!

Bewertung:

5 von 5 Nilpferden

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