Cover des Buches Das letzte Polaroid (ISBN: 9783351050085)
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Rezension zu Das letzte Polaroid von Nina Sahm

Über Indentität, Selbstwert und Sinnsuche

von Looony vor 9 Jahren

Rezension

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Looonyvor 9 Jahren

Nina Sahm - Das letzte Polaroid ****

Inhalt

Anna und Kingas Leben sind wie Tag und Nacht. Anna – Tochter von einem Anästhesisten und einer Architektin, aufgewachsen in einer sterilen Villa in einem Münchener Vorort – verbringt ihre Freizeit vor allem mit Wissensquizzen und gesitteten Gesellschaftsspielen. Kinga lebt mitten in der Großstadt Budapest in mit ihren Eltern in einfachen Verhältnissen, ist Draußen unterwegs, isst Süßigkeiten und macht vor allem ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol, Tanzen und dem anderen Geschlecht. So lernen Kinga und Anna sich als Teenager während eines Urlaubs am Balaton kennen und Anna ist nicht nur von Kinga sondern vor allem auch von ihrem Leben fasziniert, das nach Freiheit riecht und sich so anders anfühlt als ihr eigenes. Als Kinga über 10 Jahre später nach einem Unfall im Koma liegt, reist Anna nach Budapest und lässt sich erneut von der gleichen Faszination in den Bann ziehen…

Meinung

Kennen wir das nicht alle? Die Faszination, die das Leben eines anderen auf uns ausübt. Gerade, weil wir selber mit dem, was wir erleben, tun und erreicht haben, nicht zurechtkommen, nicht zufrieden sind. Das Gefühl ausbrechen zu wollen aus dem eigenen Leben und gerade etwas sehr gegenteilige zu suchen. In diesem Gefühl bin ich Anna in „Das letzte Polaroid“ begegnet und habe mich selber oft wiedergefunden, konnte so gut verstehen, was sie bewegt und antreibt. Es ist ein wahres, echtes Gefühl aus dem Leben. Die Geschichte zeigt gleichzeitig, was es bedeutet zu tief einzutauchen in das Leben eines anderen und dabei das eigene Leben und sich selbst aus den Augen zu verlieren – das Auftauchen kann plötzlich und ungewollt kommen und dein eigenes Leben kommt mit voller Wucht zu Dir zurück. Nina Sahm findet einen sehr gelungenen Weg auf langsame und leise Art und Weise den Leser mit Anna ab- und auch wieder auftauchen zu lassen. Sie erzählt Annas Geschichte mit einer schnörkellosen, einfachen und klaren Sprache. Ihr Schreibstil hat mir sehr gefallen und noch mehr konnte ich mich an den kleinen Einflüssen aus Geschichte, Politik, Musik, Literatur und Kultur erfreuen. Ich weiß sehr wenig über Ungarn und habe mich so wie Anna auch auf eine Reise begeben und neben dem Lesen noch einiges recherchiert und gelernt. Warum bei mir nicht der aller letzte Funke der grenzenlosen Begeisterung übergesprungen ist, kann ich gar nicht so genau sagen… vielleicht ist Anna mir als Person – so sehr ich ihre Situation und ihr Verhalten nachvollziehen kann – emotional doch zu fern geblieben. Vielleicht lag es an meiner Erwartung nach Klappentext und Rezensionen, dass Freundschaft als Thema im Mittelpunkt der Geschichte steht, was irreführend ist, denn Anna alleine steht mit ihrem Leben und ihren Entscheidungen, die von ihrer Begegnung mit Kinga geprägt und beeinflusst sind, im Mittelpunkt dieser Erzählung. Für mich geht es in "Das letzte Polaroid" vor allem um die Suche nach der eigenen Identität und dem Selbstwert sowie die Sehnsucht nach Abgrenzung und Anderssein.

Fazit

Ein sehr lesenswertes, anspruchsvolles Debüt – sowohl sprachlich, erzähltechnisch als auch thematisch! „Das letzte Polaroid“ wird besonders Ungarnfans begeistern und allen anderen das Land und seine Geschichte näherbringen. Für alle die nachdenkliche, leise Bücher mögen und gerne auch über die letzte Seite eines Buches hinaus weiterdenken!

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