Wir erinnern uns alle noch an den Krieg auf dem Balkan. Eine instabile politische Lage im Kosovo. Seit Jahrhunderten ansässige Albaner im Konflikt mit der herrschenden serbischen Bevölkerung. Viele Menschen versuchen zu fliehen. So auch die Familie Bislimi die mit Hilfe von Fluchthelfern 1993 nach Deutschland gebracht wird. Dort hoffen sie auf ein Leben in Sicherheit. Die Bislimis, die es schon ihrer eigentlichen Heimat nicht gerade leicht gehabt haben. Der Vater aus einer Hashkali-Familie stammend, die Mutter eine Romni. So war die Mutter auch Zuhause immer schon eine Fremde, allein wegen der anderen Volkszugehörigkeit. Die Mutter flieht alleine mit den Kindern. Der Vater kommt später nach. In Deutschland sind sie in Sicherheit, aber mit einer äußerst ungewissen Zukunft. Nizaquete und ihre Schwester Miri waren schon immer wissensdurstig. Alles, was sie an Wissen und Bildung bekommen konnten, haben sie aufgesaugt wie ein Schwamm. Unterstützt wurden sie darin von Anfang an von ihren Eltern. Trotz aller Entbehrungen und Unsicherheiten, denen sie in Deutschland anfangs ausgesetzt sind, wird Nizaquete ihren Weg gehen. Trotz täglicher Angst vor Abschiebung und dem Leben in Flüchtlingsunterkünften schafft die junge Frau es, hervorragende Schulabschlüsse zu absolvieren. Sie studiert und schließlich wird ihr großer Wunsch wahr: Sie wird Anwältin und schließlich wird ihr und ihrer Familie das Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt. "Durch die Wand" - die Geschichte einer jungen Frau, die es mit außergewöhnlicher Willenskraft schafft, ihren Weg zu gehen, ihren Traum zu leben. Es ist aber auch die Geschichte einer Frau, die lange überlegt hat, ob es gut ist, zu ihrer Herkunft zu stehen, doch sie entscheidet sich dafür und sie hat Recht damit. Sie sagt selbst, dass es viele erfolgreiche Roma in Deutschland gibt - nur weiß kaum jemand davon. Zu tief verwurzelt sind die Beschimpfungen, die verächtlichen Rufe "magjupe" - "Zigeunerinnen", die noch immer in ihren Ohren hallen, zu groß die Angst, dass es in Deutschland genauso sein wird. Diese Angst ist nicht unberechtigt. Ich muss allerdings dazu sagen, dass es in meiner Kindheit kein Schimpfwort war, Zigeuner zu sagen. Ganz im Gegenteil. Ich kann mich gut darin erinnern, dass ich sogar im Karneval einmal als "Zigeneurin" verkleidet gegangen bin. Nizaquete mag jetzt die Augenbrauen hochziehen, wenn sie das lesen wird (mich würde brennend interessieren, ob sie das wirklich tut!), aber damals war das alles im positiven Sinn. Es war verbunden mit fröhlichen Farben, mit Lebenslust, mit Musik und Tanz. Nizaquetes Geschichte, dieses Buch ist brandaktuell. Viele, viele Menschen aus den Balkanstaaten kommen gerade nach Deutschland auf der Suche nach einem besseren Leben, obwohl der Krieg längst vorbei ist. Auch in meiner Stadt sind viele Menschen angekommen, viele Sinti und Roma aus Bulgarien und Rumänien. Ich wünschte mir, sie würden sich Nizaquete Bislimi als Vorbild nehmen. Eines darf man natürlich nicht vergessen. Nizaquete entstammt einer Familie, die Bildung schon immer gefördert hat. Das unterscheidet diese Familie mit Sicherheit von vielen Familien, die jetzt gerade ankommen. Ob diese anderen Familien nicht wollten oder ob sie schlichtweg keine Möglichkeiten hatten, das weiß ich nicht. Manchmal musste ich schon lächeln. Nizaquete bezeichnet es als typisch für ihre Kultur, wenn sie jemanden aus der Heimat trifft und der sie als erstes fragt, ob sie gut untergekommen ist und ob sie etwas essen möchte. Liebe Nizaquete Bislimi, das ist auch in meiner Kultur so üblich. Wenn Sie mich besuchen würden, würde ich Ihnen sofort etwas zum Essen und zum Trinken anbieten. Ich würde sie fragen, wie die Fahrt gewesen ist, ob sie im Stau gestanden haben und ob Sie sich erst etwas ausruhen möchten. Und ganz schnell wären wir in einem wunderbaren Gespräch verwickelt. Obwohl es in dem sehr persönlichen Buch natürlich hauptsächlich um Nizaquetes Familie und die anfänglichen Schwierigkeiten hier geht, so ist es doch auch ein Buch, das zeigt, dass man vieles schaffen kann, wenn man nur den Willen dafür aufbringt. Wenn man sich für eine Sache einsetzt, wenn man dafür kämpft, kann man es schaffen, auch wenn dieser Weg mit vielen Höhen und Tiefen verbunden sein wird. "Durch die Wand" von Nizaquete Bislimi mit Beate Rygiert - absolut empfehlenswert!