Cover des Buches Der glücklose Therapeut (ISBN: 9783813505078)
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Rezension zu Der glücklose Therapeut von Noam Shpancer

Das Licht ist aus und niemand ist zu Hause

von Poesiesoso vor 10 Jahren

Rezension

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Poesiesosovor 10 Jahren
Die Glücklosigekeit haben bis auf wenige Ausnahmen fast alle Figuren in Noam Shpancers neuem Roman in unterschiedlicher Heftigkeit bereits erlebt: Psychische und physische Krankheiten, gestörte Eltern-Kind-Beziehungen, der Schmerz der Liebe oder gar alles zusammen. Dass auch Menschen, denen die Funktionsweise der menschlichen Psyche nur allzu vertraut ist, der Glücklosigkeit unterliegen können, zeigt Shpancer an seinem Protagonisten dem Psychotherapeuten David Winter.Sowohl im Beruf, als auch im Privatleben gerät sein geregeltes Leben durcheinander und verlangt ihm viel Disziplin, Einfühlungsvermögen und Kraft ab. Nach meinem Empfinden ist all das in der Gesamtheit jedoch ein wenig zu viel und wirkt konstruiert. Mir ist bewusst, dass enorm viele Menschen unter psychischen Krankheiten leiden, aber ein dementer Vater und ein bipolarer Schwiegersohn hätten im Buch nicht unbedingt gleichzeitig erscheinen müssen. Ein gewisses Grundinteresse für Psychologie ist für das Lesen des Romans wohl Voraussetzung, aber dennoch empfand ich mich irgendwann nur noch mit Problemen konfrontiert. Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Autor mehr auf die Beziehung von David und seinem Patienten Barry Long konzentriert hätte, in der Nebenhandlung auch gern auf die gescheiterte Ehe. Stattdessen wird Davids Urlaubsreise viel zu ausführlich geschildert. Die Eindrücke in diesem sommerlichen Paradies waren zwar gut und fast poetisch zu lesen, doch völlig fehl in diesem Buch. Durch den gesamten Text zieht sich eine gewisse Melancholie, die zum Inhalt passt, aber in dieser Passage zeitweise völlig aufgebrochen wird, was mich enorm gestört hat.

Dieses "zu viel" hat auch zur Folge, dass die Identitäten der Figuren nicht klar werden, weder für den Leser, noch für die Figuren selbst. Was mir hingegen enorm gefallen hat, waren Davids Gespräche mit seinem alten Mentor Doktor Helprin. Aus Helprins Worten ist stets Weisheit und Erfahrung zu hören, die oft in der Klärung philosophischer Probleme zu gipfeln versucht. Doch David bremst ihn jedes Mal aus, wenn er sich in seinen philosophischen Äußerungen verliert, was ich sehr ärgerlich fand. Einmal spricht er davon, dass die Wahrheit hier irgendwo liegt und irgendwann ans Licht kommen wird. Die Wahrheit ist wohl gerade die Kategorie, die sich auf alle Beziehungen im Roman anwenden lässt und auch eingetreten ist und das hat mir wiederum gefallen. Denn was nützt ein Leben, das auf falschen Tatsachen aufgebaut wird.
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