Rezension zu "Weimar" von Nobert Oellers
Ein etwas trockener, summarischer Blick auf Weimar
Viv29vor 5 Jahren
Der Gedanke, die Geschichte jener knapp sechzig Jahre zu erzählen, in denen Weimar eine Hochburg der Kultur und der deutschen Geistesgrößen war, ist eine sehr gute. In diesem Buch wird in sechs Kapiteln jener Zeit zwischen 1775 (Goethes Ankunft in Weimar) und 1832 (Goethes Todesjahr) gedacht, das erste dieser Kapitel gibt eine (sehr trockene) Übersicht über Weimar vor 1775.
Die Aufmachung des Buches ist durchschnittlich. Ziemlich kleine Schrift, durchschnittliches Papier, einige Abbildungen. Es sticht nicht sonderlich heraus.
Hauptsächlich geht es im Buch neben Goethe und Schiller um Wieland und Herder. Andere Weimarer Persönlichkeiten wie der Herzog, seine Frau, seine Mutter, seine Maitresse, Johanna Schopenhauer, Charlotte von Stein, später Eckermann kommen auch immer wieder vor. Ein Überblick über die wesentlichen Weimarer Einwohner jener Zeit ist also gegeben.
Der Inhalt ist eine Mischung aus erzählerischem Text und zahlreichen Zitaten von Zeitgenossen. Hier ist eine Vielfalt an Leuten vertreten, die Zitate sind zahlreich und überwiegend gut gewählt und angenehm in den Text eingebunden. Der erzählerische Text wird auf angenehme Weise durch die direkten Ansichten der Menschen jener Zeit ergänzt. Es finden sich hier die mittlerweile etwas überbenutzten Zitate, ohne die kein Buch ohne Goethe anscheinend auskommen kann (warum auch immer): Schillers "stolze Prüde", Johanna Schopenhauers Tasse Tee für Christiane Vulpius und Bettina Brentanos tollgewordene Blutwurst. Daneben gibt es aber auch viele Zitate, die mir neu waren und die ich oft sehr unterhaltsam fand.
Der Text des Buches hat mich dagegen weniger angesprochen. Größtenteils ist alles recht trocken erzählt, nur selten blitzt mal eine originellere Formulierung durch. Gestört hat mich, wie oft aufgezählt oder summiert wird. Von Wieland lesen wir im ganzen Buch fast nur Passagen in der Art von "Wieland arbeitete an x, dann noch an y und stellte z fertig". Auch gerne genommen "Goethe reiste am soundsovielten nach x, kam dort am soundsovielten an, reiste drei Tage später nach y". Das mag rein zur Informationsvermittlung geeignet sein, aber wer möchte denn ständig solche Auflistungen lesen und kann (möchte) sie sich merken? Auf der Werke der Autoren selbst wird so gut wie gar nicht eingegangen. Wir erfahren, wer was wann schrieb, das war's. Manche Ereignisse, Hintergründe werden kurz angesprochen, aber nicht hinreichend erklärt. Mit Hintergrundwissen geht dies, aber der Leser ohne Hintergrundwissen wird öfter verwirrt sein.
Die Personen selbst sind mir auch relativ fremd geblieben. Dieses Buch hätte mich nicht neugierig auf Schiller, Herder oder Wieland gemacht, und auf Goethe wohl eher auch nicht. Die Fakten lassen nur sehr selten die Menschen hinter den Namen lebendig werden. Man erfährt ab und an etwas Persönliches, Herders Griesgrämigkeit und soziale Unverträglichkeit kommen gut heraus; den Eindruck, den Goethe auf andere machte (oder eben nicht) ist unterhaltsam, ein paar launige Fakten, wie Goethes Gedicht über außereheliche Impotenz, sind nett zu lesen, aber diese Dinge machen nur einen kleinen Teil des Buches aus. Größtenteils besteht das Buch aus trockenen biographischen Fakten, mit ein paar persönlicheren Einsprengseln. Sehr enttäuschend das Kapitel, das sich schwerpunktmäßig der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller widmet. So uninspiriert las ich von dieser Freundschaft bisher noch nicht. Schillers Todeskampf, sein Tod werden nebenbei, ohne weitere Informationen (die nun wirklich zahlreich vorhanden sind) erwähnt. Goethes letzte Tage sind dagegen en detail berichtet. Allgemein ist Schiller etwas summarisch abgehandelt.
Es erschien mir ohnehin, daß die Autoren sich vielleicht mit der Fülle der Themen ein wenig verzettelt haben. Das letzte Kapitel widmet sich fast ausschließlich Goethe, weil seine Weggefährten zu dem Zeitpunkt fast alle verstorben waren. Hier wird es persönlicher, man spürt den Menschen Goethe, bekommt ein besseres Verständnis. Das Summarische ist kaum noch vorhanden, vielleicht, weil sich die Autoren hier auf eine Person konzentrieren konnten.
So schließe ich das Buch nicht sonderlich begeistert. Informationen gab es, aber sie wurden für meinen Geschmack nicht unterhaltsam oder ansprechend präsentiert, trotz der guten Idee mit den Zitaten. Es fehlte das Gefühl für die Großen von Weimar, für die Menschen hinter den Werken, es wurde zuviel aufgezählt, zu wenig erzählt.