Marc ist der Traummann schlechthin - sexy, attraktiv, verrucht – zumindest suggerieren das seine Fotos als Model. Seinen Arztberuf übt er nach einem traumatischen Erlebnis nicht mehr aus, aber mit seiner Vermögensanlage in Kryptowährungen hat er ein Vermögen gemacht. Er ist kein Freibeuter, sondern wenn überhaupt, dann auf der Suche nach einer partnerschaftlichen Beziehung. Aber etwas trübt seine Stimmung. Die längst vergessen geglaubten Bilder als Model aus seiner Studentenzeit tauchen ohne sein Wissen und Wollen auf den Covern von Dark Romance Romanen weiblicher Autorinnen auf und er fürchtet, dass die Leserinnen ihn mit dem Inhalt der Bücher verbinden und er dadurch kompromittiert werden könnte.
Marc fühlt sich in gewisser Weise ausgeliefert und beschließt, dagegen anzugehen. Auf seinem spannenden Weg lernt er faszinierende Frauen kennen, die ihn auf unterschiedliche Weise reizen. Die aber noch viel mehr wie er in unangenehme Situationen geraten sind, die ihnen das Leben schwermachen. Unmerklich verschieben sich die Perspektiven und plötzlich findet sich Marc in einer schwierigen moralischen Position. In einer dramatischen Zuspitzung schildert Nora Amelie auf eindringliche Weise, wie weit verbreitet Frauen immer noch von dominanten Männern bedrängt und genötigt werden. Dumme Anmachsprüche, Mobbing, „zufällige“ Berührungen, Grabschen, Bedrängen, Nötigung, bis hin zur blanken Gewalt. Macht ist sexy, das glauben zumindest diejenigen, die in einer solchen Position sind. Und da ist der Schritt nicht mehr weit, bis zu dem Punkt „Stell dich nicht so an“, bis zu dem Punkt, an dem sich die unterlegene Frau in einer fast ausweglosen Zwangslage sieht. Mitmachen und stillhalten, um sich nicht alles kaputt zu machen? Wer in einer Machtposition steht, kann sie ausnutzen und missbrauchen. Wer auf der unterlegenen Seite steht, ist machtlos ausgeliefert. Das hat mich atemlos gemacht.
Marc lässt die Frage nicht los: was wusste er, wo hat er stillschweigend weggesehen? Obwohl er ein achtsamer, zugewandter Mann ist, fragt er sich, ob er nicht auch Schuld auf sich geladen hat. Wie Marc damit umgeht, zeigt, dass es auch anständige Wege gibt. Dass auch Marc mit Hilfe einer neuen Partnerin aus diesem Schlamassel herausfindet. Aber wer wird die starke Frau an seiner Seite sein? Die rothaarige Nachbarin Nika oder doch seine Ex Svenja, mit der ihn immer noch ein starkes Band verbindet?
Auf eine meisterhafte Art verbindet Nora Amelie das Thema Me Too mit der fesselnden Geschichte Marcs, so dass am Ende nicht der erhobene moralische Zeigefinger steht, sondern das Bewusstwerden der gesellschaftlichen Realität und der Blick nach vorne, wie man damit umgehen kann.
Ein tolles Buch, 5 Sterne und eine wärmste Leseempfehlung.