Seit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch Oliver Cromwell ist ein Band gewidmet. Bald wird die 45 Bände umfassende Reihe vollständig sein. Das Erscheinen der noch fehlenden Bände (Heinrich IV., Heinrich VII., Anna) ist für die kommenden Monate angekündigt. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche namhafte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.
Obwohl seine Regierungszeit 33 Jahre währte, ist Georg II. (1683-1760) sowohl inner- als auch außerhalb Großbritanniens weitgehend unbekannt. Mit seinem Namen verbinden sich keine bedeutenden historischen Ereignisse oder Entwicklungen. Georg II. war der zweite britische König aus dem Hause Hannover. Er entstammte dem Welfengeschlecht, dessen verschiedene Linien auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens herrschten. Georgs Großvater, Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg-Calenberg (1629-1698), erlangte 1692 vom Kaiser die Erhebung zum Kurfürsten von Hannover. Der Aufstieg der Welfen war damit noch nicht beendet. Dank seiner Verwandtschaft mit den Stuarts konnte sich das Welfenhaus Hoffnungen auf den englischen Thron machen. Das englische Parlament schloss 1701 alle katholischen Mitglieder des Hauses Stuart von der Thronfolge aus. Der "Act of Settlement" bestimmte die protestantischen Welfen zu Erben der kinderlosen Königin Anna, der letzten Herrscherin aus dem Hause Stuart. Als Anna 1714 starb, vollzog sich der Dynastiewechsel überraschend reibungslos. Kurfürst Georg Ludwig von Hannover (1660-1727) bestieg als Georg I. den britischen Thron. Sein Sohn folgte ihm 1727 als Georg II. Die im Exil lebenden katholischen Stuarts unternahmen mehrere Umsturzversuche, aber die Herrschaft der Welfen über Großbritannien geriet nie ernstlich in Gefahr.
Mit rund 150 Seiten Text ist das Buch über Georg II. der bislang umfangreichste Band der Reihe. Der stattliche Umfang steht in auffälligem Gegensatz zur bescheidenen inhaltlichen Substanz des Bandes. Da es über Georg II. nicht viel Interessantes zu berichten gibt, malt der bekannte Historiker Norman Davies ("Verschwundene Reiche", 2013) den geschichtlichen Hintergrund mit fast schon epischer Breite aus. Das Name-Dropping läuft in vielen Kapiteln völlig aus dem Ruder. Ein bunter, vielgestaltiger Reigen von europäischen Fürsten sowie britischen Politikern, Bischöfen, Künstlern, Schriftstellern und Geistesgrößen zieht am Leser vorbei. Das verwirrende Personengewimmel stört den Lesefluss mitunter erheblich. Davies möchte der Doppelrolle gerecht werden, die Georg II. spielte. Georg war "nicht nur ein britischer König", wie es der Untertitel des Buches klarstellt, sondern auch Herzog von Braunschweig-Lüneburg und Kurfürst von Hannover. Sein politischer Horizont umfasste ganz Europa, nicht allein die Britischen Inseln. Als Oberhaupt einer sogenannten Kompositmonarchie musste er den Interessen seiner neuen Heimat ebenso gerecht werden wie den Belangen des deutschen Stammlandes seiner Dynastie. Regelmäßig reiste er von London nach Hannover. Georg II. war ein Herrscher ohne Ehrgeiz und Gestaltungswillen. Als er 1727 den Thron bestieg, war er ein Mann in mittlerem Alter, der die Spielregeln des politischen Systems Großbritanniens seit langem verinnerlicht hatte. Seine Premierminister arbeiteten effizient und geräuschlos mit dem Parlament zusammen. Umsichtig nutzte Georg II. die überschaubaren Vorrechte, die er als konstitutioneller Monarch besaß, etwa die Besetzung wichtiger Staatsämter und von Führungsposten in den Streitkräften. Georg II. war ein konventioneller König des 18. Jahrhunderts: Er hatte Mätressen, er begeisterte sich für Barockmusik. Ungewöhnlich war nur sein sparsamer Umgang mit Geld. Da er als Persönlichkeit so farblos war, geriet er nach seinem Tod rasch in Vergessenheit. Viele Leser werden erstaunt sein zu erfahren, dass Georg drei Universitäten gründete: Göttingen (im Kurfürstentum Hannover) sowie Princeton und Columbia (in den amerikanischen Kolonien).
Norman Davies, ein belesener und erzählfreudiger Autor, bemüht sich redlich, ein facettenreiches und ausgewogenes Porträt Georgs II. zu zeichnen. Aber auch nach der Lektüre des Buches wird niemand Georg II. zu den herausragenden europäischen Monarchen des 18. Jahrhunderts zählen wollen.