Dieses Buch könnte man als nette Ergänzung nach der original Zauberberg Lektüre empfehlen. Es enthält recht interessante Infos rund um den Ort und seine Geschichte. Hätte der Autor es dabei belassen, wäre ich vermutlich glücklicher mit der Lektüre gewesen. Denn die Rahmenhandlung eines Skiurlaubs mit den drei pubertierenden Mädchen Suki, Lana und Lone und ihrem Jugendsprech und die unglückliche Liebe des Erzählers zu einer weiter nicht beschriebenen Emma unterbricht leider immer wieder die interessanten Schilderungen um Davos. Um dann in einer völlig uninspirierten Schilderung der eigenen zauberbergschen Erfahrung in Eis und Schneesturm einen Abschluss zu finden. Gerade das Ende, bei dem die Parallele zur spirituellen Erfahrung und der Schlüsselszene des original Zauberbergs hergestellt werden soll, empfand ich als äußerst misslungen und schnell hingeschrieben, um dem ganzen irgendwie ein rundes Ende zu verpassen. Die Idee scheint stimmig, die Umsetzung ist teilweise haarsträubend. 3 Punkte vergebe ich dafür, dass ich es immerhin teilweise bereichernd und interessant fand.
Norman Ohler
Lebenslauf
Preisgekrönter Journalist und Autor: Mit 22 Jahren ging Ohler an die Hamburger Journalistenschule und veröffentlichte bereits in zahlreichen deutschsprachigen Magazinen, darunter dem Stern, dem Spiegel und DIE ZEIT. Sein Debüt als Romanautor legte er 1995 mit dem weltweit ersten hypertextuellen Roman „Die Quotenmaschine“ hin. Als Stadtschreiber von Rammallah, Palästina war er der letzte Europäer, der den umstrittenen palästinensischen Freiheitskämpfer Jassir Arafat vor seinem Tod interviewte. 2015 veröffentlichte er sein erstes Sachbuch „Der totale Rausch“, in dem er die Rolle von Drogen im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Das Buch wurde zum weltweiten Erfolg und in 25 Sprachen übersetzt.
Alle Bücher von Norman Ohler
Der totale Rausch
Die Gleichung des Lebens
Der Zauberberg, die ganze Geschichte
Harro und Libertas
Der stärkste Stoff
Mitte
Stadt des Goldes
Die Quotenmaschine
Neue Rezensionen zu Norman Ohler
Norman Ohler fährt 2023 mit seiner 14-jährigen Tochter Suki und Freunden zum Schifahren nach Davos. Anstatt sich dem Schifahren zu widmen, geht er der Historie des weltberühmten Ortes nach.
Zu Beginn des Romans wird der Frage nachgegangen, wie Davos im 19. Jahrhundert zu einem Luftkurort wurde. Wie es dazu kam, dass reiche Menschen sich dort über Monate hinbegaben, um sich von der Tuberkulose, damals auch als Schwindsucht bezeichnet, Heilung erhofften. Norman Ohler erzählt, wie Hotels und Sanatorien sich auf ihr Klientel einstellten und die Fachärzte in Davos „regierten“. In der Nacht wurden die Toten heimlich abtransportiert – mit einem Schlitten ins Tal verbracht.
Ein ausführlicher Teil des Buches widmet sich dann dem Zauberberg von Thomas Mann und dem Aufenthalt von Katia Mann in Davos.
Er berichtet, dass Hans Christian Anderson, der Schriftsteller Klabund und Robert Louis Stevenson dort waren, und Sir Arthur Conan Doyle hier das Schifahren erlernte. Interessant fand ich, wie aus dem kleinen Bergdorf eine Destination der Reichen wurde – aufgrund der Sanatorien, die dort um viel Geld Heilung von der damals tödlichen Tuberkulose versprachen.
Auch von den Nazis blieb Davos nicht verschont. Es wurde dort das erste Attentat auf einen Nazi verübt, dass weitere Konsequenzen für die Schweiz nach sich zog und die Schweiz so nazifrei blieb.
Viel Neues habe ich erfahren, so zB dass eine Forschungseirichtung zu Lungenerkrankungen dort eingerichtet wurde, um wissenschaftlich zu beweisen, dass der Luftkurort wirklich half (leider gelang dieser Beweis nicht). Es wurden auch jährliche Konferenzen veranstaltet, zu denen unter anderem Einstein und Heidegger eingeladen waren.
Erst Jahre später fanden die Weltwirtschaftskonferenzen dort statt, die Davos den elitären Anstrich verliehen, der heute als bekannt gelten kann.
Nicht zuletzt setzt sich der Roman auch mit der Frage auseinander, wie sich Schifahren und Klimaschutz zueinander verhalten.
Ich fand dieses Buch großartig, kurzweilig, informativ und interessant.
Rezension: Der Zauberberg im Spiegel von Norman Ohlers der Zauberberg, die ganze Geschichte
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Inhalt
Im Jahr 1924, vor einem Jahrhundert, veröffentlichte Thomas Mann der Zauberberg, ein Werk, das als einer der bedeutendsten deutschen Romane des 20. Jahrhunderts gilt. Norman Ohler, der schon mehrfach unerschrocken an historische Themen heranging, hat sich in seinem Buch der Zauberberg, die ganze Geschichte diesem Klassiker der Literatur auf eindrucksvolle Weise genähert. Ohler beschränkt sich nicht darauf, uns das Originalwerk näherzubringen, sondern ergänzt es um eine weitreichende historische und gesellschaftliche Kontextualisierung, die sowohl Leser, denen das Werk bekannt ist als auch Neulinge fasziniert.
Ein Berg, Zwei Perspektiven: Der Zauberberg bei Mann und Ohler
Wie geht man an einen Roman heran, der sich um einen Hundertjahre alten Bestseller dreht? Zu Der Zauberberg sind im letzten Jahre mindestens drei Bücher erschienen, die darauf Bezug nehmen: Zauberberge von Thomas Sparr (Hierzu gibt es einen interessanten und ausführlichen Artikel von Jörg Auberg auf Moleskin Blues.) Der Zauberberg 2 von Heinz Strunk und der hier vorgestellte Roman Der Zauberberg, die ganze Geschichte.
Ich habe den Zauberberg zwar als Teenager schon gelesen, aber das ist schon Jahrzehnte her. Also nochmal ran an die Tausend Seiten. Ich muss zugeben, ich habe mich doch etwas durchgequält.
Kurze Zusammenfassung von Der Zauberberg von Thomas Mann
Thomas Manns Der Zauberberg erzählt die Geschichte von Hans Castorp, einem jungen Hamburger Ingenieur, der seinen Cousin Joachim Ziemßen in einem Sanatorium in den Schweizer Alpen besucht. Ursprünglich für drei Wochen vorgesehen, entwickelt sich Hans’ Aufenthalt zu einem siebenjährigen Abenteuer. Im Laufe seiner Zeit in der abgeschiedenen Welt des Sanatoriums begegnet Hans einer Vielzahl von Charakteren, die jeweils unterschiedliche philosophische, politische und weltanschauliche Perspektiven repräsentieren, darunter der Humanist Settembrini und der mystische Jesuit Naphta. Der Roman erforscht tiefgründig die Themen Zeit, Krankheit und Tod, während er die brüchigen Fundamente der europäischen Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkriegs spiegelt.
Was hat Norman Ohlers Buch mit dem Original zu tun?
Norman Ohler, greift mit Der Zauberberg – die ganze Geschichte den Klassiker von Thomas Mann investigativ auf und bietet eine frische Perspektive auf die Entstehung und den Einfluss des Romans. Ohler interpretiert Manns Werk nicht nur, sondern beleuchtet zielgerichtet die historischen und biografischen Umstände, unter denen Mann schrieb. Dabei widmet er sich der Frage, wie die politische und gesellschaftliche Stimmung der 1920er Jahre Manns Schreiben beeinflusste.
Ohler bringt detaillierte Recherchen über das real existierende Sanatorium in Davos, das Mann als Inspiration diente, und über die medizinischen Praktiken und gesellschaftlichen Erwartungen der damaligen Zeit ein. Seine Analyse zeigt auf, wie Mann persönliche Erfahrungen, europäische Geistesströmungen und zeitgenössische politische Entwicklungen kunstvoll ineinander verflocht, um die Komplexität der menschlichen Existenz und der fortschreitenden Moderne zu reflektieren.
Norman Ohler berichtet von den Kindersklaven und, wie es wirtschaftlich vor den geldbringenden Sanatorien aussah. Der Autor erzählt uns auch von Alfred Henschke, bekannt unter dem Pseudonym Klabund, ein deutscher Schriftsteller. Klabund litt selbst an Tuberkulose und verbrachte Zeit in Davos, was seine Schriften maßgeblich beeinflusste. In der Geschichte die Krankheit – eine Erzählung stellt Klabund auf eindringliche Weise das Schicksal eines Patienten dar, der an Tuberkulose leidet. (Diese Geschichte ist im Bookbeat Katalog enthalten.)
Indem Ohler die Lücken zwischen Fiktion und Wirklichkeit beleuchtet, eröffnet er neue Verständnisebenen des Romans und erhöht das Bewusstsein für die zeitlose Relevanz von Manns Themen. Er diskutiert, wie sich Paradigmen wie die Krankheit als Metapher für moralische und gesellschaftliche Dekadenz bis heute in unserer Kultur widerspiegeln.
Zusätzlich analysiert Ohler, wie die Charaktere von Manns Werk, insbesondere Hans Castorp, die innere Zerrissenheit und die Suchen nach Sinn und Orientierung, universelle menschliche Erfahrungen widerspiegeln. Ohler bietet somit eine wertvolle Ergänzung zu Manns komplexem Werk und zeugt von der anhaltenden Aufforderung, sich mit existenziellen und moralischen Fragen zu beschäftigen.
1929 treffen sich Ernst Cassirer und Martin Heidegger in Davos. Dazu gibt es ein Buch von Wolfram Eilenberger Zeit der Zauberer zur Rezension.
In diesem Sinne fungiert Ohlers Buch sowohl als Hommage an den literarischen Genius von Thomas Mann als auch als investigatives Werk, das die intellektuelle und historische Tiefe von „Der Zauberberg“ neu auslotet. Es bietet den Lesern eine umfassende Erfahrung, die über die reine Lektüre hinausgeht und zur aktiven Auseinandersetzung mit den Themen des Romans einlädt.
Ohler gelingt es, diesen eher einem Sachbuch geeigneten Text in einen Roman einzuflechten. Als Rahmenhandlung dient der Skiurlaub mit seiner Tochter. Dadurch lassen sich Ohlers Recherchen unterhaltsam lesen.
Kritik/Fazit zu Norman Ohler Der Zauberberg, die ganze Geschichte
Norman Ohlers Der Zauberberg, die ganze Geschichte wurde vielfach für seine gründliche Recherche und seinen lebendigen Schreibstil gelobt. Ohler gelingt es, die historische, gesellschaftliche und persönliche Dimension von Manns Werk herauszuarbeiten und den Kontext, in dem Der Zauberberg entstanden ist, anschaulich zu machen.
Es macht einfach auch Spaß, zu erfahren, wie so ein bedeutender Roman entstanden ist oder sein könnte.
Außerdem macht es auch ein wenig neugierig auf das Original. Ich muss gestehen, dass ich als Teenager begeistert war, aber diese Begeisterung beim wiederholten Lesen nicht mehr eintrat.
Man muss den Inhalt des Original-Zauberbergs nicht kennen, um Ohlers Buch genießen zu können. Kurz und gut: mir hat es gefallen!
Die Rezension für das Original Der Zauberberg von Thomas Mann folgt in den nächsten Tagen.
Mein herzlicher Dank für das Rezensionsexemplar Der Zauberberg, die ganze Geschichte geht an den Diogenes Verlag.
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Norman Ohler wurde am 04. Februar 1970 in Zweibrücken (Deutschland) geboren.
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