Im Klappentext kann man lesen, dass Sandra Navidi einst als "Research Director" beim "Starökonomen" Nouriel Roubini arbeitete. Davor war sie Investmentbankerin und Anwältin in diesem Bereich. Inzwischen betreibt sie eine Unternehmensberatung. Die Autorin gehört also zum Umfeld der selbsternannten Finanz-"Industrie". Diese Branche stellt außer immer mehr Geld nichts her, besitzt aber gegenüber der tatsächlich einen Mehrwert erzeugenden Industrie eine herausgehobene Sonderstellung, die das ganze Wirtschaftssystem inzwischen als Geisel genommen hat statt ihm zu dienen: Fabriziert das Finanzsystem eine Krise seiner selbst, dann bricht das ganze Wirtschaftssystem zusammen.
Doch davon ist in diesem Buch keine Rede. Vielmehr geht es ausschließlich darum, gewissen herausgehobenen Leuten des Geldadels einen Text zu widmen, der sie und ihre Netzwerke angeblich beleuchten will, dies aber in Wirklichkeit überhaupt nicht leistet. Vermutlich müsste Frau Navidi dazu auch gewaltig über ihren Schatten springen, was ihr aber nicht einmal entfernt in den Sinn kommt. Deshalb muss man sich nicht wundern, wenn man kaum ein kritisches Wort in diesem Text finden wird. Vielmehr stellt sich bald das Gefühl ein, eine Art kritikfreier Anbetungslektüre zu lesen.
Navidi berichtet in ihrem Text von einem Besuch bei JPMorgan-Boss Jamie Dimon. Darüber erfährt man Folgendes: "Es gab viel zu lachen, aber die Unterhaltung war nicht sonderlich tiefgründig und wir gewannen auch keine neuen Erkenntnisse." Genau so kann man auch den Inhalt dieses Buches kurz und treffend beschreiben. Mehr noch: Diese Stelle ist auch typisch für den ganzen Text, weil sie demonstriert, wie die Autorin Belanglosigkeiten aufbläst.
Versprochen wird dem Leser ein Blick hinter die Kulissen. Die Kulissen bestehen bei Navidi aus Besuchen des Weltwirtschaftsforums in Davos und zahlreichen Empfängen und anderen Veranstaltungen, bei denen sich die "Finanzelite und ihre Netzwerke" treffen. Wer unbedingt wissen will, wer da alles auftritt, wie sich solche Treffen aus relativer Nähe gesehen so anfühlen, was es so zu essen und zu trinken gibt und natürlich mit wem Frau Navidi oberflächliche Gespräche führte, der kann sich dieses Buch durchaus zu Gemüte führen. Übrigens hat Frau Navidi bei einer solchen Gelegenheit auch einmal zwei sinnfreie Sätze mit Herrn Putin gewechselt, was ihr eine Seite ihres Buches wert ist. Selbstverständlich erhält man auch einige Informationen über die Paläste, in denen diese Super Hubs ihr bescheidenes Leben fristen.
Dass eine Geburtstagsfeier eines dieser Herren viele Millionen kostet, will man vielleicht gar nicht wissen. Wenn die Autorin aber kurz nach dieser Mitteilung von der sozialen Kompetenz des Geburtstagskindes schwärmt, dann ist man bei ihrem etwas sonderbaren Humor angelangt, von dem sie aber wahrscheinlich selbst noch nichts weiß. Man findet ihn an vielen Stellen. Etwa wenn Navidi die Rolle von Zentralbanken erläutert und dabei (aus welchen Gründen auch immer) völlig deren auslösende Rolle bei allen Wirtschaftskrisen der letzten hundert Jahre verdrängt. Immerhin weiß das wenigstens ihr ehemaliger Chef ganz anders einzuschätzen.
Das ganze Buch ist eine einzige Lobpreisung auf das Bankensystem in all seinen Ausprägungen. Um zu erwarten, dass die Autorin aufklärt, "wie die Finanzelite und ihre Netzwerke die Welt regieren", muss man schon recht naiv sein. Erstens ist Navidi keine insiderin. Somit liegen diese Dinge schlicht nicht in ihrer Reichweite. Und zweitens würde es diese Elite wohl kaum zulassen, dass irgendwelche wichtigen Interna in einem Buch für ein paar Dollar das Licht der Weltöffentlichkeit erblicken.
Es lohnt sich auch nicht, hier die Definition von Super Hubs wiederzugeben. Es reicht schon, wenn man mit George Soros einen dieser Vertreter beim Namen nennt. Die Autorin hält ihn doch allen Ernstes für einen Wohltäter. Soros besitzt in der Tat nicht nur Netzwerke im Finanzsystem, sondern er mischt auch kräftig im In- und Ausland in der Politik und bei (nennen wir es freundlich) gesellschaftlichen Umbrüchen mit. Sein Open Society Institute ist in über 100 Ländern vertreten. Andere Autoren berichten, dass Soros damit "Oppositions- und Menschenrechtsbewegungen" aus dem Boden stampft, aber gleichzeitig den Eindruck erwecken will, dass es sich dabei um sogenannte Graswurzelbewegungen handelt. Seine "gemeinnützigen" (so die Autorin) Organisationen verschaffen ihm nicht nur Informationen, sondern auch einen direkten oder indirekten Zugang zu Entscheidungsträgern, den er selbstverständlich niemals bei seinen Investmententscheidungen nutzen würde. Über Soros gibt es eine Reihe von Büchern. Das, was man in Navidis Buch über ihn lesen kann, ist wohl mit Abstand das Oberflächlichste, was je über diesen Mann geschrieben wurde.
Wenn die Autorin tatsächlich vorgehabt hätte, den Einfluss von ihren Super Hubs auf das Weltgeschehen zu beleuchten, dann wäre also gerade Soros ein perfekter Ansatzpunkt gewesen. Doch auf diesen Weg begibt sie sich nicht. Die Strafe für wirkliche Enthüllungen wäre vermutlich eine Verbannung aus den Zirkeln, in denen sie ihr Geld verdient. Also reduziert sie ihre "Enthüllungen" auf die Beschreibung einiger dieser Super Hubs, ihren Werdegang und ihr Auftreten bei irgendwelchen Anlässen mit der ihr eigenen Oberflächlichkeit und einem sehr amerikanischen Hang zur Glorifizierung. Keine Spur von Tiefgang, keine wirklich kritischen Betrachtungen.
Natürlich existieren auch in der Finanzwelt wie überall Netzwerke. Wer hätte denn daran je gezweifelt. Und selbstverständlich halten bestimmte Figuren viele Fäden in der Hand. Das ist banal. Navidi versucht daraus eine Theorie zu machen. Doch für wen sollte dies nützlich sein? Für den Leser sicher nicht. Und die Netzwerker im Finanzsystem können mit Sicherheit gut auf Navidis Buch verzichten. Wenn man blauäugig genug ist oder sich mit den Dingen noch nie tiefgründiger befasst hat, mag man vielleicht glauben, man hätte irgendetwas darüber erfahren, wie die Prozesse in der Hochfinanz organisiert werden.
Kurz gesagt: Das Buch ist im Grunde völlig belanglos, weil es nichts wirklich Wesentliches ans Licht bringt, diese Leere aber geschickt tarnt. Man muss entweder ziemlich blind sein oder gewisse Absichten hegen, um ein solch wohlmeinendes Buch über Leute zu schreiben, die (sofern sie Banker sind) die Allgemeinheit so geschickt bestehlen, dass die meisten Leute das noch nicht einmal bemerken.
Worin besteht nun aber der merkwürdige Überraschungs- oder Aha-Effekt, den dieses im Grunde nichtssagende Buch offenbar bei vielen Lesern erzeugt? Irgendwo hat man beigebracht bekommen, wie gewisse Systeme (in der Theorie) funktionieren sollten. Sowie aber Menschen im Spiel sind, laufen die Dinge gewöhnlich ganz anders als in der Theorie, die wie selbstverständlich auch immer Menschen voraussetzt "wie sie sein sollten". Das ist in der Tat etwas verstörend, wenn man ans Ideale glaubt. Bücher wie dieses geben vor, diese Erkenntnislücke zwischen Theorie und Realität füllen zu können. In diesem Fall suggerieren sie den Lesern so etwas wie das endgültige Verständnis des Finanzsystems. In Wirklichkeit schaffen sie jedoch nur ein neues Bühnenbild für ein ziemlich merkwürdiges Heldenepos. Was tatsächlich hinter dieser Kulisse gespielt wird, bleibt nach wie vor im Dunklen. Und das ist gewollt.