Rezension zu "Wie eine nackte Nadel" von Nuruddin Farah
Diesen Roman habe ich von meinem Vater geerbt, jahrelang ignoriert und dann zwei Versuche benötigt, um ihn zu lesen. Den ersten, Anfang des Jahres, habe ich nach wenigen Seiten unterbrochen. Denn die Sprache, sehr offen misogyn und häufig verwirrend, hatte ich bei einem Autoren, der laut Wikipedia eine der wichtigsten literarischen Stimmen Afrikas ist und vor allem die Unterdrückung von Frauen thematisiert, nicht unbedingt erwartet. Außerdem fiel es mir sehr schwer, den Roman einzuordnen.
Weil ich ihn aber trotzdem verstehen wollte, habe ich wenige Wochen danach einen zweiten Anlauf unternommen. Nachdem ich das Buch beendet habe, kann ich zumindest sagen, dass ich diese Misogynie für ein stilistisches Mittel halte, das die zerbrochene Gesellschaft und die Frustration und Ichbezogenheit des Protagonisten Koschin darstellt und vermutlich noch sehr viel Symbolik beinhaltet, die ich in Ermangelung unfassenderer Kenntnisse über Somalia nicht ganz erfassen konnte.
Der Protagonist ist Lehrer in Mogadischu, unverheiratet, mir persönlich sehr unsympathisch und wartet auf die Ankunft einer alten Freundin aus England. Im Spaß haben sich beide mal versprochen, zu heiraten, wenn sie sonst niemanden finden und nun werden sie wohl heiraten. Diese Freundin, Nancy, ist allgegenwärtig. Denn ein großer Teil des Buchs besteht aus inneren Monologen Koschins, die er an Nancy richtet. Es geht um Politik, Kommentare zur Gesellschaft, sein eigenes Selbstmitleid, Frauen in Somalia und das alles begleitet ein Surrealismus, der mich das ganze Lesen über an absurdes Theater erinnert hat. Genauer als mit einem Gefühl kann ich gar nicht erklären, warum ich die Ganze Zeit das Gefühl hatte, "Warten auf Godot" zu lesen.
Mogadischu steckt in diesem Buch fest, zerbricht, gleichzeitig stets in Veränderung, nichts ist greifbar. Wüste Gesellschaftskritik Koschins wechselt sich ab mit Hoffnungslosigkeit und am Ende blieben für mich viele Fragezeichen. Zugleich hat der Roman aber trotz/wegen der ausgelösten Ratlosigkeit irgendwas mit mir gemacht. Was, kann ich nicht genauer sagen. Aber es führt dazu, dass ich dieses Buch trotzdem für lesenswert halte, auch wenn ich absolut verstehen kann, wenn einem die ganze Erzählart richtig auf den Senkel geht und auch froh bin, es beendet zu haben.