Oleksij Tschupa

 4,2 Sterne bei 10 Bewertungen

Lebenslauf

OLEKSIJ TSCHUPA wurde 1986 im ostukrainischen Makijiwka geboren - der Ort liegt heute in der nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk". Er studierte an der Universität Donezk ukrainische Philologie und hat seit 2014 zahlreiche Romane veröffentlicht. Als Autor setzt sich Oleksij Tschupa mit der Identität und den sozialen Verwerfungen des Donbas auseinander und wendet sich dabei intensiv der Geschichte der Sowjetunion und der ersten Jahre der ukrainischen Unabhängigkeit zu. Heute lebt er in Letytschiw in der Zentralukraine. Mit "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" erscheint 2019 erstmals ein Werk des Autors auf Deutsch.

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Märchen aus meinem Luftschutzkeller (ISBN: 9783709972533)

Märchen aus meinem Luftschutzkeller

(10)
Erschienen am 18.09.2019

Neue Rezensionen zu Oleksij Tschupa

Cover des Buches Märchen aus meinem Luftschutzkeller (ISBN: 9783709972533)
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Rezension zu "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" von Oleksij Tschupa

evaczyk
Ein Haus im Donbas und seine Bewohner

Mtit "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" zeichnet Oleksij Tschupa ein Bild der Ukraine jenseits der Klischees wogender Weizenfelder und blondbezopfter Frauen in buntbestickten Bauernblusen, aber auch jenseits der mittlerweile zur Routine gewordenen und schon halb vergessenen Szenen des andauernden militärischen Konflikts. Es ist eher eine Sammlung von Kurzgeschichten als ein Roman, die einzige Klammer ist das Haus in der Stadt Makijiwka, in der alle Figuren wohnen. Jede Episode ist mit einer Wohnung verbunden, vom Erdgeschoss bis zur dritten Etage.

Makijiwka ist auch die Geburtsstadt des Autors in der Ostukraine, im Donbas, dem Kohlerevier, Teil der international nicht anerkannten Republik Donezk. Wenn hier von Nationalisten die Rede ist, sind die Anhänger der Regierung in Kiew gemeint. Doch die Notwendikeit eines Luftschutzkellers wird allenfalls im Nachwort Tschupas erläutert, denn die meisten seiner Hausbewohner haben entweder mit genügend Problemen ihres eigenen Alltags zu kämpfen, sind schon viel zu alt und abgeklärt, um sich übermäßig über die Gegenwart zu sorgen oder haben einen Wodkapegel erreicht, in dem eh alles egal ist.

Rentnerinnen, die auf den Tod warten, kleine Gauner, Säufer, Einsame - Tschupa nähert sich ihnen mal mit gerade zu poetischen Beschreibungen, mal mit rauem Realismus, mal mit Ironie. Es gibt eine Episode, die als fantastische Literatur einzuordnen ist und andere, die Charakterstudien und Porträts ihrer Protagonisten sind.

"Märchen aus meinem Luftschutzkeller" ist mit 208 Seiten ein eher schmaler Band, doch Tschupa schafft es, mit seinen Skizzen EindrĂĽcke zu hinterlassen.  Etwa Klawa, deren Einsamkeit wegen ihrer Taubheit nur noch größer ist, in "Stille als Gendefekt", oder das stille unspektakuläre Auseinanderbrechen einer Ehe. Oder die Geschichte einer bereits auf den Tod wartenden GroĂźmutter und ihrer Enkelin, die mit isländischer Musik der Oma nicht nur neuen Lebenswillen vermittelt, sondern auch das zu Sprachlosigkeit erstarrte Verhältnis wieder belebt. Einen Knalleffekt liefert gleich das erste Kapitel mit der Begegnung eines unglĂĽcklichen Bankberaters mit der Skandalnudel des Hauses, der angejahrten und dauerbesoffenen Lebefrau Vira, die seit 30 Jahren das Zusammenleben der Hausbewohner erschĂĽttert.

Für mich sind die "Märchen aus dem Luftschutzkeller" eine Entdeckungsreise nicht nur Makijiwkas und seiner Einwohner, sondern auch mit einem Autor, von dem ich vorher nicht gehört habe und der mich neugierig gemacht hat.

Die Ost-Ukraine vor dem Krieg

"Märchen aus meinem Luftschutzkeller" ist das erste Buch des ukrainischen Schriftstellers Oleksij Tschupa, das auf Deutsch erscheint.
Die einzelnen Kapitel beziehen sich immer auf eine andere Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Ost-Ukraine. In Form einer Kurzgeschichte wird jeweils das Leben des oder der jeweiligen Bewohner beschrieben. Jedes Kapitel, jeder Bewohner hat seine eigene Geschichte und auch seine eigene Erzählart – sprachlich fand ich das sehr abwechslungsreich. Es versammelt sich hier ein buntes Ensemble an Persönlichkeiten, das einen Querschnitt durch die ukrainische Gesellschaft bildet. Das ganze ist natürlich sehr verdichtet und in dem einen oder anderen Fall vielleicht auch etwas überspitzt dargestellt, aber ich fand es dennoch sehr interessant, auf die Art und Weise Einblick in ein Land zu bekommen, über das die meisten von uns Deutschen doch eher wenig wissen.
Ob man das Buch nun als Roman oder Kurzgeschichtensammlung bezeichnet – eine fortlaufende Handlung über das ganze Buch hinweg gibt es jedenfalls nicht. Für mich war das aber auch ok so.
Das Buch spielt vor dem Ukraine-Krieg – der schon vor dem Krieg bestehende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine (bzw. zwischen Russischstämmigen und Ukrainern) wird hier auch nur minimal angedeutet. Für mich erklärt dieses Buch also nicht den Krieg, war aber dennoch ein interessanter Einblick in ein eher fremdes Land.

Cover des Buches Märchen aus meinem Luftschutzkeller (ISBN: 9783709972533)
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Rezension zu "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" von Oleksij Tschupa

Thomas_Lawall
Absurde Existenz

Es ist Sommer in Makijiwka, einer ukrainischen Stadt im Industriegebiet Donezbecken. Alles geht seinen gewohnten Gang. Jedenfalls bis Oleksij Tschupa den Fokus auf ein Mietshaus und dessen Bewohner richtet.

"Krasse Omi", meint Serhij Platonow, jener Mann, der keinen Samstagmorgen kennt, und untertreibt damit nicht unwesentlich. Man hat ihm übel mitgespielt und dabei wollte er doch nur seiner Pflicht als "Junior-Bankberater" nachgehen. Mit der Aufgabe, sich um einen säumigen Kredit zu kümmern, geriet er mit Vira Serhijiwna Labuha allerdings an die Falsche. Sie führt in Wohnung 12 ein eigentümliches Regiment und das seit 30 Jahren.

"Ihr Leben bestand aus zwei Bausteinen: aus größeren und kleineren Partys." Oleksij Tschupa beginnt mit der Erdgeschosswohnung und stellt gleich auf den ersten Seiten klar, dass er seine geistreichen Betrachtungen absurder menschlicher Existenz zu allem Überfluss auch noch mit knackig-derbem Humor zu garnieren beabsichtigt. Dieses Versprechen bricht er bis zum Ende ganz und gar nicht.

In den weiteren Etagen und den jeweiligen Wohnungen stellt er uns eine ganze Reihe extrem unterschiedliche Charaktere vor, die jedoch alle etwas gemeinsam haben. Egal ob es sich um die Umstürzler Raschid und Machmed (Erdgeschoss, Wohnung 13), den Mann, der "Lenin runtergeholt" hat (Zweiter Stock, Wohnung 19), die Blumenhändlerin Ruh (Dritter Stock, Wohnung 22) oder Sascha Knallbacke (Dritter Stock, Wohnung 23), "führender Satanist des Viertels", handelt, alle haben sie etwas an der Waffel, oder sind zumindest schwer von Lebenserfahrung gezeichnet.

Extrem ambivalent gestalten sich auch musikalische Streiflichter, die mit "Cannibal Corpse", "The Prodigy" oder "Sigur Rós" so gar keinen gemeinsamen Nenner bilden. Die zuletzt genannte isländische Ausnahmeband spielt eine nicht unwesentliche Rolle in Wohnung 17. Die Geschichte von Iryna und ihrer Enkelin Olena ist, zur Abwechslung einmal, von einer rührenden Nachhaltigkeit. Mit über 70 Jahren vermag sie in die Zukunft, in jene für sie noch nicht erreichbare Region, zu sehen ...

Typisch Ukrainisches vermischt Oleksij Tschupa mit ebenso liebenswerter wie brachialer Übertreibung und scheint damit dennoch ein skizzenhaftes Bild der Wirklichkeit seines Heimatlandes zu zeichnen. Märchenhaftes geht mit der Realität Hand in Hand auf seltsamen Wegen spazieren, und beide scheinen sich zu fragen, ob es den jeweils anderen überhaupt geben mag.

Wenn dieser Roman, von zahlreichen schon vorhandenen Werken des Autors, der erste auf Deutsch erschienene ist, dann möchte man diese sehr bald kennenlernen.

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Letzter Beitrag von  miro76

Hier ist meine Rezension:

https://www.lovelybooks.de/autor/Oleksij-Tschupa/Märchen-aus-meinem-Luftschutzkeller-2037560607-w/rezension/2328992943/

Außerdem findet sich meine Bewertung auf Amazon und Thalia.

Herzlichen Dank für dieses schöne Buch. Es hat mich gut unterhalten.

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