Die Dramatikerin Irina und der Opernregisseur Orhan bekommen den Auftrag, zur Eröffnung des Museums für Identität und Wiedervereinigung eine Performance zu entwickeln. Doch was erst nach schnell verdientem Geld klingt, entpuppt sich bald als nicht immer willkommene Reise in die Vergangenheit. Um auch eine ostdeutsche Perspektive mit einzubinden, überredet Irina ihre Schulfreundin Maria, an dem Projekt mitzuwirken. Die beiden kennen sich aus der Schule, mit Orhan haben sie sich dann im Jugendtheater angefreundet. Alle drei sind in Berlin aufgewachsen, haben jedoch einen sehr unterschiedlichen Hintergrund. Gemeinsam sind ihnen nur die schwierigen Familienverhältnisse, doch macht es natürlich einen Unterschied, ob Bildung und Geld im Hintergrund sind, so wie bei Irina, oder ob die Eltern finanziell prekär dastehen und von den Umständen überfordert sind, wie bei Maria und Orhan, bei dem zudem noch eine migrantische Perspektive dazukommt. Das Theater fungiert hier als Element der Befreiung, die Kunst zeigt Auswege aus dem familiären Umfeld und eröffnet neue Räume. Dass das nicht immer ohne Reibung vonstatten geht, versteht sich von selbst. Die Autorin springt dabei zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her, wirft Schlaglichter auf einzelne Erfahrungen und lässt vor allem Irina sicher geglaubte Wahrheiten hinterfragen. Olga Bach, wie die Protagonistin selbst sowohl Juristin als auch Dramaturgin, ist im realen Leben mit dem Opernregisseur Ersan Mondtag befreundet, die Vermutung liegt also nahe, dass sie eigene Erfahrungen mit hat einfließen lassen. Soweit nicht weiter ungewöhnlich, autobiografisch angehauchte Romane sind ja durchaus beliebt, doch Bach hebt das Spiel mit den autobiografischen Elementen auf eine Metaebene, indem sie ihre Protagonistin im Text die Erfahrungen der Freundin Maria verarbeiten lässt, ohne dass diese damit einverstanden ist. Maria fühlt sich als Quoten-Ostdeutsche missbraucht, da Irina sich anmaßt, für sie zu sprechen und private Dinge preiszugeben. Doch gilt das vielleicht auch für die Autorin selbst? Schließlich entsprechen recht viele fiktionale Elemente ihrem eigenen Leben. Und was bedeutet das für ihren Umgang mit den Erlebnissen ihrer Freund*innen? Wer hier für wen sprechen darf, wird nicht abschließend geklärt, dafür regt der Text zum Nachdenken an und ist gleichzeitig sehr unterhaltsam. Wer wie ich Kunst- und Theaterromane mag, sollte sich dieses Buch merken, ich habe es wirklich gern gelesen.
Wer spricht für wen?