Cover des Buches Eiskalter Hund (ISBN: 9783453438699)
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Rezension zu Eiskalter Hund von Oliver Kern

Berti Fellinger geht mit 4,5 Sternen an den Start

von Antek vor 6 Jahren

Rezension

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Antekvor 6 Jahren

„Ist nicht für Gäste, ist fül Familie, kommt zu Besuch aus Wuwei, nächste Woch.“, ist die Erklärung von Herr Luang, als Fellinger den toten Hund in seiner Kühlkammer entdeckt. Heikel, heikel, und noch viel heikler wird die Sache als sich herausstellt, dass nicht nur der Hund tot, sondern auch dessen Frauchen verschwunden ist.


„Jeden Sonntag den Tatort schauen reicht offensichtlich doch nicht, um in der Realität komplexe Tathergänge rekonstruieren zu können.“ Fellinger ist Lebensmittelkontrolleur, den es zwischen den Schultern juckt, wenn ein Verbrechen in der Luft liegt. Man ist daher bei keinem Profiermittler dabei, da gibt es auch Leben drumherum, Stammtisch und Brotzeiten dürfen z.B. unter gar keinen Umständen fehlen. Fingernägel abknabbern vor Hochspannung ist daher nicht unbedingt angesagt, dafür aber jede Menge Spaß. Nichtsdestotrotz, Krimifeeling kommt auf, denn Fellinger tappt auch auf falschen Fährten herum und dadurch darf man als Leser zunehmend mehr kombinieren und knobeln. An Verdächtigen mangelt es ebenfalls nicht. Da „Ein Hosenscheißer bin ich nicht“, zutrifft, wird es zudem auch noch recht gefährlich für ihn.


Oliver Kern lässt seinen neuen Ermittler aus der ich Perspektive berichten, was mir sehr gut gefallen hat. Der Sprachstil ist einfach klasse, die Sprüche zum Lachen und so fliegen die Seiten nur so dahin. Da kann schon der Gedanke „Kulturell geschult wie ich bin, weiß ich natürlich, dass sein Lächeln nichts zu bedeuten hat. Das ist eher ein Krampf im Gesicht.“, kommen, wenn ihn Herr Luang in seinem Chinarestaurant empfängt, oder es heißt „ich folge der Krampfaderndelegation“. Auch Vergleiche wie „blickt auf mich herab, als hätte er zwei Achter-Bohrer auf den Augäpfeln.“, empfand ich als äußerst gelungen.


„Beamte im Hygienedienst sind in der Regel humorfrei, immun gegen Ironie und interpretieren Sarkasmus grundsätzlich falsch“. Als „Frohnatur“ ist Fellinger „natürlich die absolute Ausnahme.“ Mir hat Berti Fellinger, samt seinen Vorurteilen und seiner sarkastischen, aufdringlichen Art gut gefallen. Für mich auf jeden Fall ein Ermittler, den ich auf dem Radar behalte. Amüsiert habe ich mich auch über Polizeihauptmeister Lechner, der seine Prioritäten setzt. Ermitteln oder Feierabendbier und Leberkäswecken, da muss man schon ganz genau abwägen. Auch wenn der eine oder andere Nebendarsteller etwas überzeichnet sein mag, hatte ich meinen Spaß im bayrischen Wald.


Richtig gut haben mir die originellen Kapitelüberschriften gefallen, die stets auch im folgenden Text Bedeutung haben. Da kann es bei „Dinkelsemmel“ schon mal passieren, dass ihm die Körnerdinger um die Ohren fliegen, oder dass bei „Celluliteschenkel“ Jung mit schlanken Beinen gegen Alt und Runzlig ausgetauscht wird.


„Hier kriegt jeder seinen Senf ab“ verspricht der Buchrücken, und dieses Versprechen wird gehalten. Für „Ich bin sehr tolerant gegenüber allen Volksgruppen“, liefert Fellinger ein Gegenbeispiel nach dem anderen, was mich viel lachen hat lassen. Da wird natürlich beim Chinesen immer wieder am Parkplatz vorgefahren, sodass der Angst vor der Kontrolle haben muss oder es heißt bei „den Tschechen, ich tu mich da immer noch schwer. (…) meine Generation hat das halt noch drin, die Befangenheit. Wir sind damit aufgewachsen, dass hier Feindesland ist.“, von „klingt nach Preiß!“ will ich ganz schweigen.


Die Geschichte spielt im bayrischen Wald und Regionalkolorit ist wirklich vorhanden, dafür sorgt Fellinger auf jeden Fall. Immer wieder darf auch einer in Dialekt mitreden und regionaltypische Begriffe sind auch mit dabei. Aber keine Angst, wer mit „Brezelsoizer“ oder „Diridari“ nichts anfangen kann, der findet eine kleine Übersetzungshilfe am Ende des Buchs.


Alles in allem ein wirklich gelungener Auftakt für eine neue Regionalkrimiserie. Sehr gute vier Sterne (4,5) und auch wenn es für 5 noch nicht ganz reicht, könnte ich mir vorstellen, dass der nächste Fall schon die volle Punktzahl bringt. Der Sprachstil und der Ermittler haben auf jeden Fall das Potential.

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