Rezension zu "Verkannte Leistungsträger:innen" von Nicole Mayer-Ahuja
Zu Beginn und während der ersten Monate der Corona-Pandemie wurden sie vom Balkon aus beklatscht: Menschen, die in sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten. Man schenkte ihnen für eine kurze Zeit verbale Anerkennung, ihre Arbeitsrealität rückte flüchtig in den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen haben sich dadurch kaum verändert, ihr Alltag ist oft geprägt von prekären Beschäftigungsverhältnissen, einer schlechten Arbeitsatmosphäre, Druck, Stress und Diskriminierung.
In ihrem Buch "Verkannte Leistungsträger:innen - Berichte aus der Klassengesellschaft", herausgegeben von Nicole Mayer-Ahuja und Oliver Nachtwey, kommen genau diese Menschen zu Wort: In 22 Kapiteln werden Interviews mit Pflegekräften, Erzieher*innen, Beschäftigten der Krankenhauswäscherei, Saisonarbeiter*innen, Verkaufspersonal, Zusteller*innen und vielen mehr geführt, diese Interviews entsprechend eingeordnet und Probleme sowie Chancen sichtbar gemacht. Entstanden sind eindringliche und empathische Porträts, deren Stärke vor allem darin liegt, dass sich die Menschen, die unser Leben am Laufen halten und in unserer Klassengesellschaft häufig im Schatten bleiben, selbst äußern können und ihnen auch entsprechend zugehört wird.
Beim Lesen wird schnell klar, dass alle Beschäftigten der jeweiligen Berufsgruppen ein Anliegen eint: Sie sind stolz auf ihre Arbeit und wünschen sich mehr Anerkennung für diese, einerseits auf monetäre Art von den Arbeitgebenden, andererseits durch Wertschätzung von Kund*innen und der Gesellschaft im Allgemeinen. Gerade letzteren Punkt können wir alle sehr einfach beeinflussen, für Ersteren ist vor allem die Politik in der Pflicht, die Arbeitsbedingungen regulierend zu verbessern. "Verkannte Leistungsträger:innen" ist ein so beeindruckendes wie wichtiges Werk, das Menschen in systemrelevanten Berufen einen Raum bietet, ihre jeweiligen Situationen sichtbar zu machen. In meinen Augen unbedingt lesenswert!