Cover des Buches Nicht weit vom Stamm (ISBN: 9783839001202)
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Rezension zu Nicht weit vom Stamm von Oliver Uschmann

Rezension zu "Nicht weit vom Stamm" von Oliver Uschmann

von MacBaylie vor 13 Jahren

Rezension

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MacBaylievor 13 Jahren
Wer sich auf dieses Buch einlässt wird eine mehrstündige Achterbahnfahrt erleben und beim Aussteigen leicht schwindelig zurückbleiben. Oliver Uschmann erzählt uns die Geschichte von Sven. Besser gesagt, er lässt Sven selber erzählen und saugt den Leser mit Hilfe der Ich-Perspektive noch tiefer in die wilden Strudel verwirrter und verzweifelter Gedanken dieses jungen Mannes. Mit 14 Jahren ist Sven noch der Vorzeigesohn schlechthin. Er ist gut in der Schule, hat nette Freunde und sogar einen Preis für eins seiner Landschaftsprojekte bekommen. Dann macht er einen Fehler. Ein Fehler, der ihm eigentlich nicht angelastet werden kann, denn im Grunde ist er nur einen Moment unaufmerksam. Die Reaktion seines Vaters lässt jedoch keinen Zweifel an seiner Schuld und der Satz: „Wofür bist du eigentlich gut!“ brennt sich wie ein Brandzeichen in seine Seele. Mit 19 Jahren steht er auf der anderen Seite der Gesellschaft. Seine Beschäftigungen bestehen aus Pöbeln, Saufen, Drogen, Sex und Gewalt. Seine neuen Freunde Boris und Frederick stellen keine Ansprüche und haben keine Erwartungen. Zugedröhnt den Tag überstehen, provozierend und zur Not auch mit Gewalt ein bisschen Spaß haben. Das reicht. Erst als er seine Schwester Lina in Gefahr sieht wacht Sven auf und versucht sie zu beschützen, was aber in seinem Zustand gar nicht so einfach ist. Ständige Rückschläge lassen ihn immer wieder in seine prolligen Verhaltensmuster zurückfallen und oft steht er sich selbst am meisten im Weg. Oliver Uschmann nimmt kein Blatt vor den Mund. Sei es bei der Ausdrucksweise der ausgegrenzten Jugendlichen oder bei der Schuldfrage der Verantwortlichen. Da geht es des öfteren recht harsch zur Sache. Auf der anderen Seite werden unter dem Deckmäntelchen der angesehenen Familie - der Vater ist schließlich ein gefragter Bestsellerautor von Erziehungsratgebern - Svens Verfehlungen so gut es geht vertuscht und unter der Hand ins richtige Licht gerückt. Wirkliche Gespräche finden jedoch auf beiden Seiten nicht statt, sodass Svens Zwickmühle immer größer wird. Das wird sehr ausführlich und verständlich ausgeleuchtet. Bei seinen Eltern ist er wegen seines Nichtstuns untendurch und bei seinen Freunden eckt er an, wenn er mal was bürgerliches macht, um seiner Schwester zu helfen. (was er allerdings auch niemandem sagen kann). Mich hat das Buch sehr gefesselt und wenn es die Zeit zugelassen hätte, hätte ich es wohl an einem Stück durchgelesen. Die ein oder andere Passage war mir persönlich etwas zu ausführlich aber dennoch weit davon entfernt, um sie Länge zu nennen. Svens Geschichte macht betroffen und nachdenklich, gibt aber auch Hoffnung, dass eigentlich keine Situation wirklich hoffnungslos ist. Auch wenn eine Menge Klischees und Zufälle bedient werden, so hat es mich hier nicht gestört, denn das Leben hält doch auch immer Zufälle für uns bereit, und was bedeutet schon Klischee? Ein sehr lesenswertes Buch für Jugendliche, Eltern und sonstige interessierte Leser.
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