Cover des Buches Wir sind nicht da, um zu verschwinden (ISBN: 9783897414020)
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Rezension zu Wir sind nicht da, um zu verschwinden von Olivia Rosenthal

„Nur der Blick spricht. Doch manchmal spricht selbst der Blick nicht mehr.“

von Naja89 vor 7 Jahren

Rezension

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Naja89vor 7 Jahren

Zum Inhalt

Olivia Rosenthal nimmt die im Klappentext beschriebene Szenerie rund um Monsieur T. und seine Frau zum Anlass, um sich in ihrem Buch „Wir sind nicht da, um zu verschwinden“ mit der Krankheit Alzheimer auseinander zu setzen. Hierbei nähert sich die Autorin dem Thema aus verschiedenen Perspektiven. Das Buch gibt einen Einblick in das Leben sowie die Arbeit von Dr. Alois Alzheimer und schildert die Beweggründe des konkurrierenden Kollegen Dr. Emil Kraepelin für die Namensgebung. Darüber hinaus werden auch die medizinischen Fakten und Theorien rund um die Krankheit dargelegt. Die Autorin selbst lässt ebenfalls ihre Gedanken und Ängste einfließen. Darüber hinaus appellieren eingeschobene kleine Experimente an den Leser, sich in die Situation eines Alzheimerpatienten hinein zu versetzen. Doch der Großteil des Romans dreht sich um den Lebensweg und den Krankheitsverlauf von Monsieur T. Dabei werden einerseits die Gedanken von Monsieur T., seiner Frau und seiner Tochter sowie andererseits die Sichtweise des behandelnden Arztes beschrieben.


Meine Meinung

Mir viel der Einstieg in den Roman etwas schwer. Da die verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven nahtlos ineinander übergehen und nicht immer gleich klar ist, welche Charaktere gerade behandelt werden. Eventuell liegt es an meinem Programm, mit dem ich die Epub-Datei gelesen habe. Bei mir ist das eBook leider nicht so gut gegliedert, wie das bei der gedruckten Version mit den Absätzen und Einrückungen der Fall ist. Hier besteht beim eBook noch Verbesserungspotenzial. Ich habe mich jedoch recht schnell an die eigenwillige Weise gewöhnt, wie die Autorin die Geschichte erzählt und aufbaut. Der schnelle Wechsel zwischen den Perspektiven birgt Vor- und Nachteile. Er ist teilweise etwas störend, wenn z. B. der Lebenslauf von Dr. Alzheimer mit der Geschichte von Monsieur T. vermischt wird. Er bringt aber auch einen großen Mehrwert, wenn sich beispielsweise Madame und Monsieur Ts. Gedankengänge abwechseln und man so direkt die Sichtweisen des Erkrankten und der Angehörigen vergleichen kann.

Der Roman schafft es auf alle Aspekte rund um die Krankheit Alzheimer einzugehen. Die dargelegten Informationen rund um die Erforschung durch Dr. Alzheimer und seinen Kollegen sowie die körperlichen Symptome sind sehr interessant und nehmen genau den richtigen Anteil am Gesamtwerk ein. Es werden alle wichtigen historischen und medizinischen Fakten zusammengetragen und durch das bruchstückhafte Einfließenlassen in die eigentliche Geschichte wirkt es nie als ob man reine Fachliteratur lesen würde.

Die Passagen, in denen die Autorin ihre Angst schildert, selbst Alzheimer zu bekommen, weil sie darüber schreibt, hätten meiner Meinung nach weggelassen werden können. Sie sind jedoch nur von geringem Umfang.

Die eingeschobenen kurzen Experimente am Ende der Kapitel richten sich direkt an den Leser und bringen ihn dazu sich in die Lage eines Alzheimerpatienten hineinzuversetzen. Allerdings habe ich mir nur selten die Zeit genommen, um für mich selbst Antworten auf die gestellten Fragen zu finden und bin lieber gleich weiter der Handlung gefolgt. Die Förderung von Selbstreflexion und Empathie sind bei diesem sensiblen Thema aber wohl kaum ein Nachteil.

Der eigentliche Aufhänger für den Roman ist die Messerattacke von dem an Alzheimer erkrankten Monsieur T. auf seine Frau. In kleinen Schritten wird enthüllt, was für ein Leben Monsieur T. vor der Erkrankung geführt hat sowie vor und nach dem Tötungsversuch führt. Die niedergeschriebenen Gedanken von ihm und seiner Frau machen diesen Roman so unglaublich lesenswert. Olivia Rosenthal lässt den Leser in die Psyche eines Alzheimerkranken eintauchen. Monsieur Ts. Gedankengänge sind verworren, ungefiltert und herzzerreißend direkt. Sie haben mir mehrmals eine Gänsehaut beschert und bieten die Erklärung für die Messerattacke. Ich finde es mehr als bewundernswert, wie die Autorin es geschafft hat, die Ausmaße dieser Erkrankung und die damit verbundenen Gefühle aller Beteiligten in Worte zu fassen. Es gelingt ihr genauso schonungslos die Sichtweise von Madame T. darzulegen. „Er hindert dich daran, so zu leben, wie du es dir vorstellst, es ist ungerecht, was für eine Macht er über dich hat, du hasst ihr für das, was er dir abverlangt.“


Mein Fazit

Der Roman betrachtet die Krankheit Alzheimer auf allen Ebenen, zeigt auf, welche Anzeichen es für die Erkrankung gibt und wie es sowohl dem Patienten als auch den Angehörigen mit dieser Diagnose geht. 1,2 Millionen Deutsche leiden an Alzheimer. „Wir sind nicht da, um zu verschwinden“ haucht dieser Zahl Emotionen ein, die mich noch sehr lange beschäftigen und begleiten werden.

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