Rezension zu "Blutspiegel" von Olivier Descosse
Was? Nach Vincent de Swarte erneut ein französischer Thrillerautor? Seltsamerweise fallen gerade diese vom Himmel direkt in meine umblätterbegierige Hand. Und - es hat sich mehr als nur gelohnt, gelohnt!
In einer Bucht vor Marseille wird etwas Grauenvolles entdeckt. Ein Mädchen, furchtbar verstümmelt. Zuerst weiß man nicht einmal, wer sie überhaupt ist.
Leutnant Paul Cabrera und sein Kollege Riad Kellal mit algerischen Wurzeln, nehmen die Ermittlungen auf. Sie denken, daß der Mord einen rituellen Charakter aufweist und ein Serienkiller dort draußen frei herumläuft, der noch lange nicht fertig mit seiner "Arbeit" ist ...
Dann erfährt Riad etwas derart Zerschmetterndes, daß es ihn vor Schmerz beinahe zerreißt, etwas in ihm definitiv irreversibel zerbricht und ihn wahnsinnig zu machen droht. Das tote, unidentifizierte Mädchen ist seine Tochter ...
Nun ist er nur noch auf eines aus, was ihn gerade so aufrecht hält: Rache ...
Atmosphärisch mit einer authentischen Wiedergabe der diversen Lebenswelten, unter anderem Marseille.
Olivier Descosse weiß wovon er spricht und schreibt. Er selber ist 1962 in Marseille geboren und wurde Anwalt. Er war in Paris, den USA und Französisch Polynesien tätig. Er entschloß sich dann jedoch Vollblutautor zu werden. Bravo, denn gut für uns Leser / innen ...
Er lebt in Paris und ist Filmaficionado. Das merkt man diesem Buch im idealen Sinne an. 🎥🎬📽
Geradezu cineastisch beschrieben, kommen viele Szenen verdichtet und plastisch herüber, so daß das Kopfkino es versteht, einen extrem spannenden, beklemmenden, aufregenden Film in den Neuronen zu reproduzieren. Das innere Auge kommuniziert mit den Worten, die die Sehnerven über die Ganglien funken. Ein komplexes Buch hinterläßt während des Verschlingens Schnappatmung und Bisse in die Fingerkuppen ...😱😵😰😬
Die Protagonisten Paul und Riad sind ebenso realistisch mit Tiefgang, vielschichtigem Charakter und all den inneren Kontradiktionen hervorragend zum Leben erweckt worden, mit all der Tragik und Härte des Lebens. Zwei außergewöhnliche Polizisten.
Cabrera, hitzig und Kellal vor den Trümmern seines Lebens ...
Jeder der beiden hat seinen ureigenen persönlichen Grund, dieses Monster zu stoppen ...
Von Marseille über die Camargue nach Lyon, die Welt der Hell's Angels bis hin zu den Gitanos verlaufen die Spuren parallel. Die jüngere europäische Geschichte, die allerdunkelste Epoche des 20. Jahrhunderts spielt scheinbar auch hinein und ein weiteres Verbrechen dräut, um noch mehr Verderben zu generieren.
Das Buch ist mit einem konstanten Spannungsbogen auf höchstem Niveau geschrieben, atemlos, konzentrierte, aufregende Sprache und Form, daß man es regelrecht verschlingt!
Die Gewalt ist angemessen in die Handlung integriert und dient nicht dem gaffenden Selbstzweck. Ein erschreckend gutes Buch und Teil Zwei der Cabrera - Trilogie! Unbedingt lesen! Biiiiitte! Er ist nämlich außerhalb Frankreichs relativ unbekannt. Deswegen lest ihn! Biiiiiiiitte!!!