Olivier Rolin

 3,5 Sterne bei 11 Bewertungen
Autor*in von Der Meteorologe, Port Sudan und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Olivier Rolin wird 1947 in Boulogne-Billancourt geboren. Die Kindheit verbringt er im Senegal, nach seinem Schulabschluss studiert er in Paris Literatur und Philosophie. 1967 tritt er der »Kommunistischen Jugend« Frankreichs bei, ein Jahr später wird er Mitglied des maoistisch orientierten »Neuen Volkswiderstands« und beteiligt sich an militanten Aktionen. Als sich die Bewegung 1973 auflöst, geht er für längere Zeit in den Untergrund. 1978 wird er Lektor und später Herausgeber in einem Pariser Verlagshaus, 1983 kommt sein erster von zwölf Romanen heraus. Für »Port Sudan« wird er 1994 mit dem renommierten Prix Femina ausgezeichnet, für »Die Papiertiger von Paris« erhält er 2003 den Prix France Culture. Bei Liebeskind erschienen bislang der Reisebericht »Letzte Tage in Baku« sowie die Romanbiografie »Der Meteorologe«.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Olivier Rolin

Cover des Buches Der Meteorologe (ISBN: 9783954380497)

Der Meteorologe

 (5)
Erschienen am 24.08.2015
Cover des Buches Baikal-Amur (ISBN: 9783954380930)

Baikal-Amur

 (2)
Erschienen am 20.08.2018
Cover des Buches Letzte Tage in Baku (ISBN: 9783954380237)

Letzte Tage in Baku

 (1)
Erschienen am 10.03.2014
Cover des Buches Port Sudan (ISBN: 9783954381357)

Port Sudan

 (2)
Erschienen am 20.09.2021
Cover des Buches Ein Löwenjäger (ISBN: 9783827010513)

Ein Löwenjäger

 (1)
Erschienen am 01.10.2013
Cover des Buches Ein Löwenjäger (ISBN: 9783827076717)

Ein Löwenjäger

 (0)
Erschienen am 01.10.2013
Cover des Buches Meroe (ISBN: 9783954380725)

Meroe

 (0)
Erschienen am 20.02.2017

Neue Rezensionen zu Olivier Rolin

Cover des Buches Baikal-Amur (ISBN: 9783954380930)
HansDurrers avatar

Rezension zu "Baikal-Amur" von Olivier Rolin

Eine Reise ins Herz von Russland
HansDurrervor 5 Jahren

Es ist jedes Mal eine Freude, ein Buch der Verlagsbuchhandlung Liebeskind in Händen zu halten, denn ein schön gestaltetes Buch ist auch eine Freude für die Sinne. Mit anderen Worten: Olivier Rolins Baikal – Amur ist ein Buch, das ich auch aus ästhetischen Gründen gerne lese. Und umso mehr als mich dieser Reisebericht sofort in seinen Bann zieht.

Fünftausend Kilometer Bahnfahrt liegen vor ihm. Vieles an dieser Zugfahrt erinnert an vergangene Zeiten und das macht ihren Charme aus. „Langsam zieht die typische sibirische Landschaft vorbei, zutiefst melancholisch, dazu das Stakkato der Räder über den Schraubverbindungen der Schienen, und manchmal wird alles überdeckt von einem der endlosen Güterzüge, die entgegenkommen (auch das sieht man kaum noch, auch das erinnert an die Kindheit,).“ Starke Bilder, mir ist, als sei ich vor Ort mit dabei.

Olivier Rolin reist mit seinem Übersetzer und Freund Waleri, eine unerlässliche Hilfe in diesem riesigen Land, wo uns vertraute Worte wie ‚Land‘, ‚Provinz‘ oder ‚Region‘ nicht ‚funktionieren‘. „Der Raum verlangt nach Worten, die wir nicht haben. Selbst der Begriff ‚Wald‘, bei dem man an Picknick und Pilzsammler denkt, ist keine angemessene Bezeichnung für die unermessliche Weite der Taiga.“ Elfmal so gross wie Frankreich ist sie und man könnte die Vereinigten Staaten einschliesslich Alaska und Westeuropa reinpacken und hätte dann immer noch Platz.

Russland ist kein “normales“ Land, die Menschen dort haben Katastrophen erlebt, „von denen wir uns keine Vorstellung machen und die es uns einfach nicht erlauben, sie nach unseren bequemen Gewissheiten zu beurteilen.“ Gewöhnungsbedürftig sind auch die Hotels, in denen die beiden Reisenden absteigen. „Es sind Luxus-Zimmer, richtige Suiten. Aber nach sowjetischem Geschmack eingerichtet: orangefarbener Teppichboden, gelbliches Sofa mit geometrischem Muster, gelbliche Vorhänge, dunkelbraun furnierte Möbel, an der Decke eine spärlich beleuchtete Glaskugeltraube als Lampe, ein golden schillernder Bettüberwurf, Schwäne mit ihren Küken beim Schwimmen schmücken die Wand (fast hätte ich geschrieben ‚beim Stillen‘). Die riesigen Heizkörper stehen auf Ziegelsteinen, die das Gewicht tragen, die Steckdosen sitzen schief und hängen so weit aus der Wand, dass man sie, typisch sowjetisch, beim Ziehen des Steckers vollends herausreisst.“

Dass die Russen mit den Zuständen rundum zufrieden seien, lässt sich schlecht behaupten. Doch auch wenn die Dinge selten so sind, wie sie sein sollten  „In Sewerobaikalsk führte beispielsweise eine Betontreppe von beiden Seiten auf eine Fussgängerbrücke über die Bahngeleise, die unser Hotel, das in der Nähe des Sees lag, vom Stadtzentrum trennte. Doch keine der Stufen, und ich meine wirklich keine, hatte dieselben Masse, weder in der Höhe noch in der Breite: Jede war gewissermassen eine Originalschöpfung, wodurch die Treppen nachts für einen Betrunkenen zu einer halsbrecherischen Herausforderung wurden (eine Situation, in der ich mich, darauf lege ich Wert, nie befunden habe; doch Betrunkene in der Nacht, die gibt es in Russland wie anderswo, und vielleicht sogar ein wenig häufiger).“ – , nicht wenige trauern den sowjetischen Zeiten nach, denn alle hatten damals Arbeit, es gab Schulen, Renten und jeder hatte ein Dach über dem Kopf.

Wie jede Reise so bietet auch diese eine Gelegenheit, sich mit Land und Leuten (und mit sich selber) auseinanderzusetzen. Dabei macht Olivier Rolin vor allem deutlich, dass unsere bequemen westlichen Wertvorstellungen weit weg von der russischen Realität sind, wo es um einiges wilder zu und her geht, als man sich das im Westen gewohnt ist. Und auch wesentlich emotionaler, leidenschaftlicher.

Unterwegs zu sein, bedeutet ja auch immer, auf andere Reisende zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. Ein Norweger, der sechsundneunzig Länder bereist hat, ohne ein Flugzeug zu nehmen, auf die Frage nach der schlimmsten Zugstrecke: Dakar–Bamako. „Kein Bettzeug, vierhundert Kakerlaken. Die schlimmsten Scheisshäuser, fügt er hinzu, gab es von Livingstone nach Kapiri Mposhi in Sambia: kein Fenster, kein Licht, nur ein Loch im Boden, den Türgriff musste man vom Schaffner erbitten und bloss nicht die Taschenlampe vergessen.“ Übrigens: die langsamen (ein Glück, wer will den bloss durchs Leben rasen?) russischen Züge verfügen über einen Samowar und in den Liegewagen gibt es gestärkte, tadellos weisse Bettwäsche.

Baikal – Amur ist auch eine Reise in die russische Vergangenheit. Eine der mir liebsten Geschichten stammt von den drei heroischen Fliegerinnen Walentina Grisodubowa, Polina Ossipenko und Marina Raskowa, die 1938 den weiblichen Rekord im Fernflug brachen, über der unbewohnten Taiga abstürzten und überlebten. Wiederholt weist Rolin auch auf die Lager und Massengräber hin, die die russische Landschaft unter ihrer Oberfläche birgt. Er tut seinen Teil dazu, dass das System des Gulags, das „für Generationen die Verrohung der Verhaltensweisen, die Achtlosigkeit gegenüber anderen in die Menschen einpflanzte“, nicht aus dem Gedächtnis verschwinden und um „einige Bilder dieser Geschichte aus der Nacht unserer selbst gewählten Blindheit ans Licht zu bringen und zu vergegenwärtigen.“

Fazit: Eine lebensphilosophische Zeitreise, witzig, differenziert und engagiert.

Cover des Buches Der Meteorologe (ISBN: 9783954380497)
Schmiesens avatar

Rezension zu "Der Meteorologe" von Olivier Rolin

Nicht Fisch, nicht Fleisch. Platter kann man über den Großen Terror kaum erzählen.
Schmiesenvor 6 Jahren

"Wer diese Abgründe nie kennengelernt hat, kann seine Fantasie nicht auf Reisen schicken."


Durch einen Zufallsfund wird Olivier Rolin auf Alexej Wangenheim aufmerksam, einen russischen Meteorologen, der zur Zeit des großen Terrors inhaftiert und exekutiert wurde. Die Bilder und Rätsel, die er damals seiner kleinen Tochter geschickt hat, dienen Rolin als Aufhänger, die Geschichte dieses Mannes zu erzählen.

Was dabei allerdings herauskommt, ist enttäuschend. Versprochen wird eine Romanbiographie, heraus kommt weder das eine noch das andere, noch eine Mischung davon. Man liest sich durch stakkatohaft dahingeschriebene Zeilen voller Namen, die nicht im Gedächtnis bleiben, voller Ereignisse, die sich ständig wiederholen. Auf die Zeichnungen, die im Buch zu finden sind, wird kaum eingegangen, der eigentliche Aufhänger "Familie" findet kaum Erwähnung. Hier mal meine Zusammenfassung der einzelnen Abschnitt (aus Sicht des Autors):

Abschnitt I : Och nö, Wangenheim hat eine Vorgeschichte. Mit der möchte ich mich eigentlich gar nicht befassen, aber das muss man wohl oder übel tun bei so einer "Biographie". Besser schnell runterschmieren, damit es spannend werden kann.

Abschnitt II : Puh, geschafft. Jetzt geht's ab in's Lager. Am besten, ich mache völlig unkenntlich, ob die Aussagen nun von Wangenheim oder von mir stammen. Ab und an klatsche ich ein "...schrieb er" in den Text, damit klar ist, dass ich seine Briefe brav gelesen habe. Literarische Aufarbeitung halte ich für Schwachsinn - das könnte für den Leser ja spannend werden!

Abschnitt III : Jetzt klären wir das Verbrechen doch mal auf. Am besten zackzack, denn schließlich muss dieses Buch doch auch mal ein Ende finden. So, hier habt ihr eure Schuldigen.

Abschnitt VI: Melancholisches Rumgesülze hat noch keiner RomanBiographie geschadet. Am besten baue ich noch ganz viele Informationen darüber ein, wo ich in Russland schon überall gelebt habe und wie aufregend ich das Land finde. Dann noch ein paar allgemeine Schwülstigkeiten über die Würde des Menschen, ein paar literarische Anspielungen und pseudo-philosophisches Geschwafel - tada, ein Meisterwerk!

So oder so ähnlich liest sich "Der Meteorologe": Ein Machwerk großer Lustlosigkeit, schlechter Recherche, mit einem grauenvollen Schreibstil und rührseliger Geschichte. Platter und langweiliger kann man über den Großen Terror kaum erzählen.

In schriftstellerischer Hinsicht leistet sich Rolin einige grobe Schnitzer. Beispiele gefällig? 
1. Ständig spekuliert er über Szenarien und Personen, wie sie wohl waren, wie es sich wohl zugetragen hat. Er beschreibt eine Szene und widerlegt sie dann in Klammern - denn er weiß ja nicht, wie es sich tatsächlich zugetragen hat. Nun gut, dann hätte er sich für die Romanform entscheiden müssen, dann hätte er die Freiheit gehabt, die Szenen seinem Ermessen nach zu gestalten. So bleibt man als Leser immer in der Ungewissheit: Hat er sich das ausgedacht? Ist das relevant? Nur Geschwafel? Wozu das Ganze, wenn es sofort negiert wird? Und außerdem beschreibt er seine Szenen in elendig langen Hauptsatzreihen, die kaum Bilder entstehen lassen, sondern nur eines - Langeweile. Er zählt die Schrecken auf, anstatt davon zu erzählen.
2. Er bewertet ständig seine Figuren. Heftigster Fauxpas: Er schreibt über die "fiese Fresse" eines Lagerhenkers. Wow. Ja, wir wissen, diese Menschen haben Schreckliches getan. Aber in einer angeblich recherchierten (Roman-)Biographie möchte ich so etwas doch nicht lesen!
3. Auch der Sexismus ist nicht weit: "Keine Frage, es ist ungerecht, dass die Schönheit einer Erschossenen plötzlich die Rührung verstärkt, mit der man dem Blick der Ermordeten begegnet, dennoch muss man zugeben, dass es so ist." Urgh. Bitte was? Dir gefällt die im Großen Terror ermordetet Frau, und das macht sie bemitleidenswerter als die anderen? Dass Rolin noch nicht einmal den Anstand besaß, solche Gedanken wenigstens aus dem endgültigen Buch herauszuhalten, macht schon wütend.
4. Dubiose religiöse Vergleiche liefert er ebenso wie merkwürdige Rachefantasien über die "bescheidene Genugtuung", dass die meisten der Funktionäre, die für den Großen Terror verantwortlich waren, selbst erschossen worden sind. Die Hinrichtungsszenarien vergleicht er damit, "wie die römischen Soldaten Christus verhöhnten". Warum solche Vergleiche? Warum so eine emotionale Nähe zu seinen Figuren? Das ist schlichtweg unprofessionell, denn keiner will die Meinung eines unmotivierten, unsensiblen Laien hören.

Immerhin hat er sich ein behandelnswertes Thema ausgesucht: Der einfache, unschuldige Mann in den Fängen des Regimes. Die schlechte Recherche gibt er in der Danksagung sogar zu: "Ich habe also die Historiker, auf die ich mich beziehe, nicht systematisch zitiert." Ja, aber warum denn nicht? Das, und nichts anderes, ist deine Aufgabe als Biograph, dachte ich bei mir.  Wozu also ein solches Buch schreiben, wenn es Rolin weder die Recherchearbeit noch das angemessene Verfassen wert war? Aus einem solchen Stoff hätte viel gemacht werden können, doch Rolin hat dabei auf ganzer Linie versagt.

Gespräche aus der Community

Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 11 Bibliotheken

von 1 Leser*innen aktuell gelesen

Worüber schreibt Olivier Rolin?

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks