Orlando Figes

 4,5 Sterne bei 46 Bewertungen
Autor*in von Eine Geschichte Russlands, Die Tragödie eines Volkes und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Orlando Figes, geboren 1959 in London, lehrt als Professor für Geschichte am Birkbeck College in London. Er zählt zu den bedeutendsten Historikern Großbritanniens und ist Verfasser international hochgelobter Werke zur russischen Geschichte. Seine Bücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt und für sein bahnbrechendes Werk "Die Tragödie eines Volkes" erhielt er 1997 den renommierten Wolfson History Prize.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Orlando Figes

Cover des Buches Eine Geschichte Russlands (ISBN: 9783608984552)

Eine Geschichte Russlands

 (11)
Erschienen am 19.11.2022
Cover des Buches Die Tragödie eines Volkes (ISBN: 9783827008138)

Die Tragödie eines Volkes

 (8)
Erschienen am 09.08.2008
Cover des Buches Die Flüsterer (ISBN: 9783827009654)

Die Flüsterer

 (7)
Erschienen am 04.09.2010
Cover des Buches Nataschas Tanz (ISBN: 9783827010148)

Nataschas Tanz

 (5)
Erschienen am 05.04.2011
Cover des Buches Krimkrieg (ISBN: 9783827012586)

Krimkrieg

 (2)
Erschienen am 31.03.2014
Cover des Buches Russland. Die Tragödie eines Volkes (ISBN: 9783827012753)

Russland. Die Tragödie eines Volkes

 (1)
Erschienen am 10.11.2014

Neue Rezensionen zu Orlando Figes

Cover des Buches Eine Geschichte Russlands (ISBN: 9783608984552)
Federfees avatar

Rezension zu "Eine Geschichte Russlands" von Orlando Figes

Wie beeinflusst die Vergangenheit die Gegenwart noch heute?
Federfeevor 7 Monaten

Die Geschichte Russlands von den Anfängen über die Zarenzeit bis hin zum neuen Zaren – oops, ich meine Wladimir Wladimirowitsch Putin, den Herrscher im Kreml.

Ich fand das Buch im Ganzen sehr anstrengend zu lesen und nur in Häppchen zu bewältigen, zu viele Details, zu viele Namen, zu viel Hin und Her, wie es eben so ist in der Geschichte. Allerdings versucht der Autor zwischendurch immer, das Geschehene ins große Ganze einzuordnen, so dass ich etliche Aha-Erlebnisse hatte und Verbindungen zu Heute herstellen konnte.

Erschreckende Parallelen, tief gründende Einstellungen und Vorstellungen und ein erschreckend geduldiges und systematisches Vorgehen Putins, um Russland in einen autokratischen Staat umzuwandeln: Gesetze und Erlasse, Beeinflussung durch das Staatsfernsehen und - sehr schlimm – die planvolle Erziehung der Kinder und Jugendlichen zum Militarismus und zu Patrioten.

Die Mentalität, die hier aufgezeigt wird, die sich in Jahrhunderten entwickelt hat, ist schwer zu verstehen, aber dieses Buch hat mir zu einigen Einsichten verholfen. Natürlich kann man nicht erwarten, dass die neuesten Ereignisse ausführlich thematisiert werden. Es geht um die 'Geschichte' und zur allerneuesten gibt es genügend andere Bücher. Dennoch kann man dieses Buch nur empfehlen, wenn man tiefer in die Problematik eindringen möchte.

Dies sind mehr ungeordnete persönliche Eindrücke als eine Rezension. Wer eine sehr gute lesen möchte, dem empfehle ich die Rezension von Wanda: https://www.lovelybooks.de/autor/Orlando-Figes/Eine-Geschichte-Russlands-523039682-w/rezension/8214563053/

Kommentare: 5
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Cover des Buches Eine Geschichte Russlands (ISBN: 9783608984552)
M

Rezension zu "Eine Geschichte Russlands" von Orlando Figes

Umfassender Überblick
M.Lehmann-Papevor 7 Monaten

Umfassender Überblick

 

Natürlich ist es eine Zeit, in der nicht wenige Autoren „mit der heißen Nadel“ Ansichten, Beschreibungen, kulturelle Erklärungsversuche erstellen, wie es zu jener „Zeitenwende“ nun kommen konnte und warum es aus der Historie heraus nachweisbar wäre, dass Wladimir Putin ein „Großreich“ wieder herzustellen gedenkt (was Russland ja nicht nur einmal in der Vergangenheit war).

 

Orlando Figes aber hat den eindeutigen Vorteil, dass die Geschichte Russlands seit langem bereits sein Spezial- und Fachgebiet ist. Kaum ein Historiker kenn sich ähnlich gut aus in der Entwicklung von den Anfängen her über die Mongolendominanz bis hin zum Zarenreich, der dann folgenden Sowjetunion und der „neuen Kraft“, die seit Jahren ja bereits von Putin gehalten und genutzt wird.

 

So findet der Leser in diesem neuen Werk des Historikers nicht eine Engführung allein auf die Gegenwart, sondern einen roten Faden an Entwicklung über die Zeiten hinweg, der das ein oder andere am Ende natürlich durchaus mit erklärt an der Lage der Gegenwart. Vor allem, dass es Figes gelingt, Kapitel für Kapitel wunderbar und verständlich im Stil den „roten Faden“ strikt vor den Augen der Leser und der Leserinnen zu halten. Dass ein uraltes Denken und durchaus auch Fühlen die Mentalität der Führung und des Volkes Russlands bis in die Gegenwart hinein bestimmt. Eine Mentalität, Kultur, eine immer wieder auch je nach Nützlichkeit oder Zeitenströmung angepasster „Geschichtsblick“, der ein fundiertes „Lernen aus der Vergangenheit“ deutlich erschwert und eine Zentrierung auf eine autokratische Macht, einen „Zaren“ über die Zeiten hinweg hochlebendig gehalten hat.

 

Ein Großreich zu gründen, zu führen, zu erhalten oder, so es verloren ging, strikt wieder zu erobern, dass legt Figes als Hauptmotivation der russischen Führer aller Jahrhunderte zugrunde. Und argumentiert in dieser Richtung überzeugend, so dass Leser und Leserinnen diesen Blick auf das russische Reich überzeugt am Ende der Lektüre teilen.

 

Und dieses „Großreichdenken“ mitsamt der ständigen Leiterzählung des „sich Wehren-Müssens“ gegen äußere Bedrohungen stellt Figes bereits für die Gründungszeiten Russlands klar und erkenntlich in den Raum der Seiten.

 

Wie Figes auf Katharina die Große rekurriert: „Ein so großes Land müsse von einer Autokratie gelenkt werden“, im Sinne einer „Schnelligkeit von Entscheidungen“ im Angesicht einer „Langsamkeit ob der riesigen Ausdehnung“. Eine Ausdehnung, die gefördert wurde von einer flachen, schier endlosen Landschaft ohne „künstliche Grenzen“ und die von Beginn an mit Eroberungen von „noch mehr Land und einem „Verschieben der Grenzen nach Außen“ für einen besseren Schutz des Kernlandes zumindest. Eine Geografie, and er alle bisherigen Eroberungsversuche von außen scheiterten. Nicht topographisch, wohl aber von Distanz und Klima her gesehen, Auch wenn im eigentlichen Sinne nicht Russland seine Kriege „gewann“, sondern mögliche Eroberer ihren Feldzug je „verloren haben“.

 

Zusammengehalten durch die Zeiten weitgehend immer von einer „Sakralisierung der Autorität des Zaren“ als eines der Vermächtnis der Gründungszeiten von Byzanz aus gesehen.

 

„Der Mythos des Zaren als heiliger Akteur war unerlässlich…..für den Kult des heiligen Zaren“. Ein Denken, so Figes, dass, anders als man meinen mag, bis in die aktuellen Tage hinein Russlands Kultur prägt.

 

Eine hochinteressante, spannende Lektüre mit durchaus ungewohnten, neuen Ansätzen zur Erklärung der Geschichte Russlands und seiner gegenwärtigen Lage und Haltung.

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Cover des Buches Eine Geschichte Russlands (ISBN: 9783608984552)
wandablues avatar

Rezension zu "Eine Geschichte Russlands" von Orlando Figes

Kleines Einmaleins der Russlandkunde
wandabluevor 8 Monaten

Während der Lektüre von Orlando Figes kam mir des Öfteren der Klassiker von Heinrich Mann „Der Untertan“ in den Sinn. Warum nur? „Patriotismus, Kollektivismus und Unterwerfung sind die traditionellen Werte Russlands“, sagt Putin 1999. Und er meint es so. 


Russland ist ein Land mit einer vielfältigen und wechselhaften Geschichte. Sie ist nicht weniger gewalttätig als die vieler anderer Länder. Doch zeichnet sie sich dadurch aus, dass das große Land bis heute fast durchgängig diktatorisch- autokratisch regiert wurde. Der Kommunismus, der das Land erschütterte, hat die diktatorischen Strukturen nicht abgeschüttelt, im Gegenteil! Lenin, vor allem aber Stalin herrschten als Vorsitzende eines Einparteienstaats mit genauso harter Hand wie einst Russlands Zaren, sogar noch gewaltsamer, noch willkürlicher, von Paranoia gesteuert. 


Bis heute hat es sich gehalten, dass in Russland nicht der Staat die Bürger schützt, sondern die Bürger den Staat (In Kriegen wird auf Quantität gesetzt; rücksichtsloser Menschenverschleiß), das heißt dann: die große Opferbereitschaft Russlands und wird entsprechend hochgehängt. Patriotismus und Volkstum ist gesetzt. Antisemitismus und Xenophobie werden systematisch geschürt, ein freies Russland hat es nie gegeben. Der Glaube daran, dass ein Regent sakrosankt ist, gehört zu den traditionellen Werten, die Väterchen Putin wieder hochhält. „Kein anderes Land der Welt hat aus den eigenen Herrschern so viele Heilige fabriziert. In keinem anderen ist Macht so stark sakralisiert worden“, schreibt Figes. Ein weiteres Zitat: „Das System der Abhängigkeit vom Herrscher hat sich bis heute gehalten. Putins Oligarchen sind völlig von seinem Willen abhängig.“ 


Orlando Figes holt weit aus, geht zurück bis in die Anfänge der Kiewer Rus und durchläuft sämtliche nennenswerten Regenten. Um „Eine Geschichte Russlands“ zu lesen, braucht es also ein echtes Interesse für Geschichte. Wenn man dies aufbringt, bekommt man einen Schnellkursus in russischer Geschichte, deren Stoff in Deutschlands Schulen mehr als unterbelichtet ist. Von Peter dem Großen und Katharina der Großen hat man schon einmal etwas gehört, aber auch nichts Genaues und dann verließen sie ihn. Wenn, wie Wikipedia kundtut Stefan Plaggenborg (ein anderer Historiker) meint, Figes „habe sich verhoben bei dem Versuch, aus tausend Jahren russischer Geschichte heutige Verhältnisse zu erhellen“, will ich dem widersprechen. 


„Eine Geschichte Russlands“ mag dem wissenschaftlichen Standard, den man für die Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift anlegt, nicht entsprechen, doch es ist ja ein Sachbuch für Laien. Dankenswerterweise hat Figes auch auf die von der Wissenschaft so geliebten Schachtelsätze mit vor- und nachgeschobenen Einschüben vor jedem Substantiv verzichtet, so dass man Figes Sätze nicht entzippen muss wie die seiner Kollegen. Dass dabei trotzdem ein hochwertiges Werk herausgekommen ist, zeigt, dass man sehr wohl für den Laien niveauvoll schreiben kann. Mut zur Lücke ist dabei natürlich unerlässlich. Inhaltlich ist „Eine Geschichte Russlands“ gestrafft; so bleibt sie übersichtlich. 


Russland sah und sieht sich als hehrer Wächter einzigartiger Ideale, „Russland als Wächter, der Europa vor den „asiatischen Horden“ beschützt, wurde seit dem 17. Jahrhundert Bestandteil des nationalen Mythos.“ „Der Kommunismus verlieh dem Land eine neue messianische Rolle“. 


Figes beschreibt die Leibeigenschaft der Bauern genauso wie ihre Auslieferung unter spätere kommunistische Behörden; ein Beamter ist nicht dem Volk gegenüber verantwortlich, sondern nur seinem Vorgesetzten gegenüber verpflichtet. Deshalb gibt es keine Rücktritte von Verantwortungsträgern. Misswirtschaft und Zwangskollektivierung führten zu grauenhaften Hungersnöten. 


Die Rolle der Orthodoxie wird beleuchtet, die sich unkritisch unter die Staatspolitik beugt („Im Mythos von der russischen Seele steckt ein messianisches Konzept“); das unmenschliche System der Kollektivschuld wie auch die Besiedlung Russlands Norden fast ausschließlich durch den Gulag (Zwangslager, Zwangsarbeit, Zwangsumsiedlungen), in den verschleppt wird, wer ethnisch nicht passt oder sonst wie auffällt, jetzt zum Beispiel sind es Tausende von ukrainischen Bürgern und ihre Kinder) und vieles mehr, zeigt Figes auf. 


Systematische Desinformation und Geschichtsverfälschungen führen dazu, dass die Bürger eines Landes, an dessen Grenzen seit mehr als 30 Jahren keiner mehr Hand anlegte, sich in einem Verteidigungskampf zu befinden glauben. Der letzte Bogen bis in die Neuzeit ist ein bisschen kurz und besorgt. Aber wer kann schon in die Zukunft sehen? Immerhin wagt Figes einen Ausblick und gibt eine Beurteilung ab: 


„Es ist ein unnötiger Krieg, geboren aus Mythen und Putins verdrehter Deutung seiner Landesgeschichte. Wenn er nicht bald beendet wird, wird er das Beste in Russland zerstören.“ 


Fazit: Unerlässliche Faktenkunde. 



Kategorie: Sachbuch. Geschichte.
Verlag: Klett-Cotta, 2022

Kommentare: 2
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