Rezension zu Eileen von Ottessa Moshfegh
Im Kreislauf der Gewalt – ein Leben in der seelischen Randzone
von DieBuchkolumnistin
Kurzmeinung: Noir pur - die düstere Lebensgeschichte der jungen Eileen & ihr täglicher Kampf gegen ihre Umwelt und sich selbst. Bis Rebecca erscheint ...
Rezension
DieBuchkolumnistinvor 7 Jahren
"Irgendwann büßt jeder für seine Sünden". Mit Sünden kennt die 24-jährige Eileen Dunlop aus einem kleinen Ort in Massachusetts/USA sich aus. Sie wächst in einer gewalttätigen Familie auf, ihre Kindheit ist geprägt von körperlicher und vor allen Dingen seelischer Misshandlung. Glück, Frieden, Lebensfreude sind für sie Fremdwörter. Mut, Hoffnung und Pläne abgestumpft und nicht greifbar, von ihren Eltern in vielen Jahren täglicher Erniedrigung ausgemerzt. Dieses Bild hat sie übernommen und bestimmt ihren Alltag zwischen der Arbeit in einer Jungen-Haftanstalt sowie der Pflege ihres Vaters in einem täglich neu gewählten Kreislauf von Selbsterniedrigung, Scham und unterdrückten Wünschen, voller Alkohol und dem Versuch, sich immer wieder neu gegen Ausgrenzung und Zurückweisung abzuhärten. Ab und zu der Gedanke an eine andere Welt, an den Tod, einfach nur weg. Selbst auf Vergewaltigungsopfer ist sie neidisch, niemand würde Eileen derartige Gewalt antun, niemand sie nackt sehen wollen, Liebe ein nie selbst erfahrener Begriff aus Klatschzeitschriften und Schundromanen.
"Gewalt war eine Körperfunktion wie Schwitzen oder Kotzen. Sie gehörte in dieselbe Schublade wie Geschlechtsverkehr. Die beiden schienen sogar miteinander in Verbindung zu stehen."
Ihr Leben scheint sich endlich zu ändern, als die attraktive und witzige Rebecca Saint John ihre Kollegin und schon kurz darauf ihre Freundin wird. Doch sie bringt nicht die lang ersehnte Helligkeit …
Autorin Ottessa Moshfegh entführt uns nach „McGlue“ erneut in eine düstere, aber realistisch gezeichnete Welt. Sie entblättert Seite für Seite verschiedenste Formen von Gewalt und man kommt ihrem stilistisch fein gestreuten Grauen erst auf die Spur, wenn es längst zu spät ist. Eine derart unsympathische Anti-Heldin zu schaffen, beweist Mut und vor allen Dingen Verständnis für diejenigen, die sonst im Schatten bleiben. Sie lässt Eileen viele Jahrzehnte später von ihrem Leben in den 60er Jahren und dem entscheidenden Vorfall erzählen, der dann zur finalen Wandlung führt. Bis dahin muss der Leser aber durchhalten und ertragen, was auch sie erträgt – manch einer wird vielleicht vorher aufgeben, abgestumpft von all dem Selbsthass und der erdrückenden Freudlosigkeit. Hier hätte es eine schnellere Entwicklung auch getan, aber Figuren wie Eileen sind vielleicht auch einfach nicht besonders gut in zeitoptimierter Weiterentwicklung. Würde die Autorin nicht so psychologisch genau und packend schreiben, täte man sich all das Leid nicht freiwillig an. Sie beschreibt Charaktere, die heute in reichweitenstarken Unterschichtmedien als Clickbaiting-Aufhänger enden würden, ein wichtiger Einblick in kaputte Seelen und ihren täglichen Kreislauf der Gewalt auf allen Ebenen. Ottessa Moshfegh erzählt wie John Burnside oder Jack Ketchum an den seelischen Randzonen entlang, sie traumatisiert ihre Charaktere und zeigt uns diejenigen, die sonst unsichbar bleiben. Lesenswerter Noir für starke Lesernerven!
"Gewalt war eine Körperfunktion wie Schwitzen oder Kotzen. Sie gehörte in dieselbe Schublade wie Geschlechtsverkehr. Die beiden schienen sogar miteinander in Verbindung zu stehen."
Ihr Leben scheint sich endlich zu ändern, als die attraktive und witzige Rebecca Saint John ihre Kollegin und schon kurz darauf ihre Freundin wird. Doch sie bringt nicht die lang ersehnte Helligkeit …
Autorin Ottessa Moshfegh entführt uns nach „McGlue“ erneut in eine düstere, aber realistisch gezeichnete Welt. Sie entblättert Seite für Seite verschiedenste Formen von Gewalt und man kommt ihrem stilistisch fein gestreuten Grauen erst auf die Spur, wenn es längst zu spät ist. Eine derart unsympathische Anti-Heldin zu schaffen, beweist Mut und vor allen Dingen Verständnis für diejenigen, die sonst im Schatten bleiben. Sie lässt Eileen viele Jahrzehnte später von ihrem Leben in den 60er Jahren und dem entscheidenden Vorfall erzählen, der dann zur finalen Wandlung führt. Bis dahin muss der Leser aber durchhalten und ertragen, was auch sie erträgt – manch einer wird vielleicht vorher aufgeben, abgestumpft von all dem Selbsthass und der erdrückenden Freudlosigkeit. Hier hätte es eine schnellere Entwicklung auch getan, aber Figuren wie Eileen sind vielleicht auch einfach nicht besonders gut in zeitoptimierter Weiterentwicklung. Würde die Autorin nicht so psychologisch genau und packend schreiben, täte man sich all das Leid nicht freiwillig an. Sie beschreibt Charaktere, die heute in reichweitenstarken Unterschichtmedien als Clickbaiting-Aufhänger enden würden, ein wichtiger Einblick in kaputte Seelen und ihren täglichen Kreislauf der Gewalt auf allen Ebenen. Ottessa Moshfegh erzählt wie John Burnside oder Jack Ketchum an den seelischen Randzonen entlang, sie traumatisiert ihre Charaktere und zeigt uns diejenigen, die sonst unsichbar bleiben. Lesenswerter Noir für starke Lesernerven!