Otto Buek

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Autor*in von Spanien erzählt.

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Cover des Buches Nebel (ISBN: 9783949441042)
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Rezension zu "Nebel" von Miguel de Unamuno

Eine philosophische Glanzleistung!
Gwhynwhyfarvor 10 Monaten

«Da Don Miguel de Unamuno darauf besteht, daß ich diesem Buche, in dem die traurige Geschichte meines guten Freundes Augusto Pérez und seines geheimnisvollen Todes erzählt wird, eine Vorrede vorausschicken solle, kann ich mich dieser Aufforderung nicht entziehen, denn der Wunsch Herrn Unamunos ist mir Befehl. Ohne daß ich bei jenem äußersten hamletschen Skeptizismus meines armen Freundes Pérez angelangt wäre, der schließlich sogar an seiner eigenen Existenz zu zweifeln begann, bin ich doch fest davon überzeugt, daß ich nicht im Besitz jenes freien Willens bin, von dem die Psychologen sprechen, obwohl ich gleichzeitig den tröstlichen Glauben hege, daß auch Don Miguel dieses freien Willens ermangelt.»


Rahmenhandlung: Augusto Pérez geht eines Tages spazieren, verliebt sich in eine Frau, die vor ihm die Straße entlanggeht. Er folgt ihr bis nach Hause und erkundigt sich über sie. Sie heißt Eugenia Domingo del Arco, arbeitet als Klavierlehrerin. Am nächsten Tag steht er vor ihrerem Haus, als ihre Tante oben am Fenster in Unachtsamkeit den Käfig mit dem Kanarienvogel vom Fenstersims stößt. Augusto fängt ihn auf, trägt ihn nach oben. Das Vögelchen ist gerettet! Onkel und Tante, bei denen die Waise Eugenia lebt, sind entzückt - auch weil der reiche Mann sich für Eugenia interessiert. Als sie eintrifft, geht sie den Verehrer ziemlich patzig an, der ihr Klavierspiel lobt. Als wenn sie aus Spaß arbeiten würde! Sie hasst Musik, aber sie muss die Hypothek auf ihr Haus abbezahlen. Und einen Mann, den sie heiraten wird, hat sie ebenfalls (Mauricio, den sie auch finanziert). Denn sie liebt den nichtsnutzigen, arbeitsscheuen Neffen der Portiersfrau im Haus. Zunächst reagiert Augusto belustigt: «Herrlich! Majestätisch! Heroisch! Ein Weib, ein echtes Weib!» Doch sein weiteres Werben lehnt sie ab, trotz seines Reichtums. 


Verzweifelt beschließt Augusto, mit dem Autor zu sprechen, also mit Unamuno. Es kann ja nicht sein, dass der Schriftsteller ihm das antun will! Der Autor grübelt. Ist er selbst somit Teil der Geschichte? Und nun kommt die große Matrixfrage: Existieren wir überhaupt oder sind wir alle Teil einer großen Geschichte? 


«Wieso bin ich in sie verliebt, da ich doch genaugenommen nicht sagen kann, dass ich sie kenne?»


Augusto bandelt nun mit Margarita an, der Concierge des Hauses – nur um Eugenia eifersüchtig zu machen. Das funktioniert – Eugenia stimmt zu, Augusto zu heiraten. Er zahlt die Hypothek von ihrem Haus ab. Doch Mauricio schleicht weiter um die Angebetete herum. Es wäre ja gelacht, wenn Augusto nicht in der Lage wäre, Mauricio von ihr fernzuhalten. So besorgt er Eugenia einen sehr gut bezahlten Job, weit entfernt von zu Hause. Die Hochzeit naht. Doch in einem Brief schreibt Eugenia, dass sie ihn jetzt nicht mehr heiraten wird. Denn durch die neue gut bezahlte Stelle und die abbezahlten Raten, verdiene sie genügend Geld, um sich und Mauricio zusammen durchzubringen. Augusto ist am Boden zerstört. Er ist sich nicht sicher, ob auch Frauen eine Seele besitzen und ob sie ihrem Wort treu sein können. Er zweifelt an der Gleichheit der Geschlechter.


«Das ist alles ein und dieselbe Sache. Krieg der Autorität! Krieg den vielen Sprachen! Krieg der gemeinen Materie und dem Tod! Krieg dem Fleisch! Krieg den h´s! – Und nun: Leben Sie wohl.»


Sein oder nicht sein? Was bedeutet es, einen freien Willen zu haben? «Bevor es Worte gab, bevor es Gedanken gab, gab es da irgendetwas?» Augusto, der Suizid begehen will, wird vom Autor gestoppt, denn es ist seine Geschichte: Hier bringt sich keiner um. Und darum eröffnet Augusto den Lesern, dass auch sie sterben werden. Jeder muss einmal sterben. Was ist Identität, wie entsteht sie – was ist real und was ist fiktiv – in diesem Dialog steht der Philosoph Unamuno mit seiner Figur. Nivola – der Begriff für einen sich selbst entwickelnden «Roman», der durch den Dialog zwischen Autor:in und Figuren geprägt ist – Dialogen, innere Monologe und das Erzählen im Wechsel. Wenn es einen Gott gibt, so muss der Mensch gegen seinen Schöpfer und sein Vorhaben rebellieren – sonst gäbe das Konstrukt der Schöpfung keinen Sinn – so Unamuno. 


Miguel de Unamuno ist einer der wichtigsten Autoren der spanischen Literatur. Er wurde im Jahr 1864 in Bilbao geboren und starb 1936 in Salamanca. Bis heute gilt er als einer der Größen der hispanischen Literatur. Er selbst bezeichnet dieses Werk «Nivola», nein kein Roman, keine Novelle. Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Victor Goti, der gleichzeitig auch einer der Charaktere dieser Erzählung ist. Dann folgt ein Nach-Vorwort vom Autor. Bereits die beiden Vorworte spielen mit Erzählebenen, beginnen ein Streitgespräch. Am Ende gibt es einen der Epilog aus der Sicht von Orpheus, dem Hund von Augusto Pérez, der die Grabrede auf seinen Herren halten muß. Eine philosophische Glanzleistung!


Miguel de Unamuno brach mit allen Schemata des Romans mit seiner «Nivola». Ein literarisches Experiment dem er den Titel Niebla gab und ihn dazu ermutigte die eigene Realität in Frage zu stellen.


Miguel de Unamuno (1864 – 1936) stammt aus Bilbao. Er studierte Philologie in Madrid und erhielt 1891 eine Professur für Altgriechisch in Salamanca. Als Lehrstuhlinhaber der Universität von Salamanca kritisierte gegen die Diktatur von Primo de Rivera wurde er 1923 auf die Insel Fuerteventura verbannt, von wo er nach Paris floh. Erst 1930 kehrte er nach Salamanca zurück, glaubte zunächst an einen Neubeginn unter General Francisco Franco, sah das als Irrtum und distanzierte sich spektakulär vom Diktator. Sein Lebensende verbrachte er im Hausarrest. Später Niebla entstand 1914, 1935 erschien eine revidierte Fassung mit neuem Vorwort.

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