"Woran ich glaube, das ist, wenn ich so sagen darf, die cartesianische Zauberei. Wir lassen uns nicht mit Spiritisten und Medien ein. Zwischen dem Hellseher, der behautet, im Zustand der Trance die Zukunft zu erkennen, und unsereinem, der eine hübsche Hellsehernummer produziert, indem er Zettel, die ihm das Publikum zusteckt, so geschickt manipuliert, daß eine effektvolle Illusion zustande kommt, gibt es doch hoffentlich noch einen kleinen Unterschied?! Und auf diesem Unterschied bestehe ich. Hier gibt es eine Grenze. Und du, mein Junge, mußt dich entscheiden - dort oder hier!"
Also spricht Rodolfos Lehrer. Aber Rodolfo will beides!
Inhalt:
Rodolfo, der große Bühnenmagier, erzählt die Geschichte seines Lebens. Von seiner Kindheit als verwöhntes Einzelkind, über die wenig erfolgreiche Gymnasialzeit, seine Zeit als Lehrling, erste Liebe. Alles ganz normal für einen Menschen des beginnenden 20. Jahrhunderts. Bis er seine magischen Fähigkeiten zu entwickeln beginnt, Karriere und Frau hinter sich lässt, und als Bühnenzauberer nach Italien und Frankreich zieht.
Während der Nazizeit und im 2. Weltkrieg erlebt auch er schwere Zeiten, aber danach beginnt eine unaufhaltsame Karriere.
Wichtig im Erzählverlauf sind auch noch die Frauen, die seinen Weg begleiten, seine Ehefrauen und Geliebten. Und eigentlich ist alles ganz realistisch, wie in einer wirklichen Künstlerbiografie...
... bis auf den kleinen Unterschied, dass Rodolfo wirklich zaubern kann ...
Schreibstil:
Auszüge aus Rodolfos "Rechenschaftsbericht" an sich selbst wechseln sich ab mit schriftlichen Dokumenten seiner Mitmenschen, die er im jeweils darauffolgenden Kapitel kommentiert. Zu Wort kommen seine Mutter und sein Vater, zwei seiner Frauen, ein Psychoanalytiker, und zu guter letzt - in einem Nachwort, das sich nahtlos in das Erzählte einfügt - auch noch der Autor des Buches. Er schreibt: "Ich habe zuerst gedacht, dieser Mann [...] sei meine Erfindung. Im Lauf der Arbeit stellte sich allerdings heruas, daß viel eher ich seine Erfindung war. Akzeptiert man einmal die Prämisse, daß Mensch und Materie einander derart durchdringen können, dann stellen sich die Konsequenzen bis zum Hexen an Automotoren und Rodolfos bitterem Ende fast von selbst ein."
Mein Leseerlebnis:
Interessant, dass einen eine so "normale" Geschichte derart fesseln kann. Ich habe das Buch kaum aus den Händen legen können, und in 2 Tagen weggesaugt. Das Lesevergnügen war hauptsächlich dem intellektuellen "Wie wird es nun weitergehen?"-Aspekt und der eigenartigen Reibung von Rationalität und Esoterik in der Geschichte zu verdanken. Emotional berühren konnte mich das Buch nur selten.
Fazit: wieder mal ein viel zu früh in Vergessenheit geratenes Gustostückerl - eher empfehlenswert für Freunde des Skurillen als für Fans der X-Men.