Der letzte Klassiker, den ich in diesem Jahr lese, musste für mich als frankophiler Leser natürlich von einem Franzosen stammen und so suchte ich mir Alexandre Dumas' (d. J.) Kameliendame heraus.
Marguerite Gautier ist Kurtisane im 19. Jahrhundert in Paris. Die verprasst Geld ihrer Gönner in Theaterbesuchen, bei großen, rauschenden Festen und Spazierfahrten mit der Kutsche. Bis sie eines Tages Armand kennenlernt, der der hübschen jungen Frau sofort verfällt. Auch Marguerite verliebt sich in ihn und gibt ihr Leben für ihn auf. Als Armands Vater von dieser Verbindung erfährt, sorgt er für den Bruch der Beiden und das Leben aller Beteiligten nimmt eine tragische Wendung.
Eine große Geschichte, wie sie damals vielleicht selten, vielleicht gerade nicht war. Das sündige Paris, in dem viel gefeiert wurde. Die Tuberkulose, die viele Menschen dahingerafft hat und das Metier der Kurtisanen, die es mehr oder weniger besser hat. Das Panorama dieser Zeit wird von Dumas sehr gut beschrieben. Die Opulenz kann man sich wunderbar vorstellen. Permanent eifersüchtige Freier, die das Leben ihres Objektes der Begierde, denn als nichts anderes wurden diese Frauen angesehen, in Händen hielten und nach Gutdünken verfahren konnten. Diese Frauen besaßen nichts und lebten nur von den Zuwendungen dieser Männer. Ohne sie wäre ein solches Leben undenkbar gewesen.
Armand ist einer dieser Männer, der jedoch echte Gefühle für die junge Frau hegt. Diese Gefühle sind so intensiv, dass er ein permanenter Dauerjammerer wird, der das Leben einer Kurtisane einfach nicht begreift. Regelrecht kindisch werfen er und Marguerite sich gegenseitigen Kontrollzwang, nicht atmen lassen vor. Übertriebene, hektische Aktionen, unnötige Tränen und Geheule, das ganz große Programm. Und das, obwohl sie insgesamt vielleicht ein halbes Jahr verbracht haben. Doch so stellt man sich auch die Franzosen vor: große Gefühle, absolute Liebe, keine Duldung irgendeines anderen Menschen. Sofortige Vorwürfe sind das Ergebnis.
Armand Duval ist so gefühlsbetont beschrieben, dass er mir doch immer wieder auf die Nerven ging. Und doch würde ich so einen Roman wahrscheinlich immer wieder lesen, denn bei all dem geht es auch um große Gefühle im Paris der vergangenen Jahrhunderte.