„Seit ich denken kann [...] fühle ich mich in diesem Land wie ein Problem. Ich muss erklären, woher ich komme, woher meine Eltern kommen, die Großeltern und die Urgroßeltern. ich muss beweisen, dass ich kein böser Muslim bin, sondern die freiheitlich-demokratische Grundordnung achte. [...] Egal, wie gut Deutsch man spricht, wie sehr man sich gesellschaftlich einbringt, man wird nicht als einer von hier gesehen.”
Ich finde es sehr schwer, die passenden Worte zu Ozan Zakariya Keskinkilics „Muslimaniac” zu finden, denn bereits die Einleitung hat mir aus der Seele gesprochen. Er hat hier nicht nur seine eigene Geschichte erzählt, sondern auch diejenige vieler anderer.
Keskinkilic analysiert auf wenigen Seiten das „Feindbild” des Muslims in Europa und bezieht sich dabei auf historische Daten. So lernt man auch, dass der „Mongolenfleck” bei Kindern in manchen Regionen Frankreichs auf Attilas Hunnen zurückgeführt wird, die sich 451 auf den katalaunischen Feldern niedergelassen haben. „1570 Jahre - da hält sich ein Migrationshintergrund mal richtig lang…” Ebenso arbeitet er wirklich sehr gut die Kontroversen heraus, die Muslim:innen in Europa begegnen. „Die Muslim:innen würden sich nicht integrieren und sich stattdessen in ‚Parallelgesellschaften’ isolieren - aber gleichzeitig wird beklagt, dass muslimische Frauen mit Kopftuch Lehrerinnen werden wollen. [...] Dann lieber doch als Putzkräfte engagieren, da verletzt die religiöse Kleidung offenbar keine Neutralitätsgefühle.”
In diese historische Analyse webt Keskinkilic sehr berührend persönliche Erfahrungen und auch Gedichte von anderen AutorInnen ein. Sehr häufig habe ich den Schmerz mitfühlen können, da so viele Situationen mir ähnlich widerfahren sind: die Situation auf dem Standesamt mit der Annahme des Nachnamens des Partners oder die ständig geforderte Stellungnahme zu terroristischen Anschlägen wie 9/11 und selbst die Nachfrage, wieso die Haare des Kindes heller sind, als die eigene. Die Worte seiner Tochter, „Du musst goldene Haare und goldene Haut haben wie ich", schnürten mir förmlich die Kehle zu und rührten mich zu Tränen.
„Ich lernte, ‚Kanaken‘ dürfen sich nicht sicher fühlen. Sie haben keine eigene Geschichte und keine Zukunft. Es war ein Wort, das demütigte. Das einem das Recht absprach, hier sein zu dürfen.”
Keskinkilics persönliche Erfahrungen vom Kindergarten bis ins Berufsleben sind von Rassismus und Diskriminierung geprägt, und seine Worte werfen ein grelles Licht auf die demütigenden Momente, die er durchlebte. Doch aus diesen Erfahrungen schöpft er eine kraftvolle Stimme des Widerstands und der Hoffnung. Seine Ansätze, um Rassismus entgegenwirken zu können, wie das Einfügen marginalisierter Biografien in Lehrpläne und das Aufbrechen der nationalen Geschichtserzählung, sind inspirierend und dringend notwendig. Die Gedichte von u.a. Aras Ören, Semra Ertan und Amira Zarari fügen eine lyrische Tiefe hinzu, die die Stimmung des Buches eindringlich unterstützt.
Einzig das Kapitel zu Queerness und Islam wirft bei mir noch mehr Fragen auf, da seine beschriebenen Interpretationen sich nicht mit dem decken, was ich gelernt habe. Aber hierzu bietet er in seinem umfangreichen Quellenverzeichnis genug Möglichkeiten, sich weitere Informationen einzuholen.