Rezension zu "Erinnern" von Caroline Osborn
Anleitung zur systematischen „Erinnerungspflege“
„Nur wer sich erinnern kann, weiß, wer er ist“.
Unter diesem Leitsatz stellen die Autoren ihre „Anleitung zur Biographiearbeit mit älteren Menschen“ vor. Eine Arbeit, die sich weniger intellektuell-abstrakt in ihren Abläufen darstellt, sondern ganz im Gegenteil mit einem kreativ-spielerischen Zugang zum dauerhaften Erinnern und immer wieder neu die Erinnerungen entdecken und verankern aufwartet. Eine „Erinnerungsarbeit“, die gegenwärtig mehr und mehr zum Selbstverständnis in der Alten- du Pflegearbeit gehört und in den letzten Jahren vielfältige Methoden hinzu entwickelt hat. Anlass für und in diesem Buch, diesem Arbeitsbereich und seinen kreativen Zugängen zur Biographiearbeit intensiv nachzugehen und Seite für Seite zu verdeutlichen, warum die „Ressource“ Erinnerung als Teil der „Grundausstattung des Menschen“ gerade für ältere Menschen von hoher Bedeutsamkeit ist.
Aber auch das gilt: „erleben ältere Menschen sich und ihre Erinnerungen als ernst genommen, steigt ihr Selbstbewusstsein“. Je älter ein Mensch wird, je unüberschaubarer unter Umständen die Gegenwart sich darstellt, desto klarer treten die Erinnerungen hervor. Wie allgemein festzustellen ist, dass im Alter des Menschen das Interesse an Erinnerungen, Vergangenem und den eigenen biographischen Daten zunimmt.
Im ersten Teil des Buches wenden sich die Autoren zunächst grundlegenden Beobachtungen zu, den „Voraussetzungen des Erinnerns“ einerseits, verweisen aber auch bereits konkret auf die Arbeit mit älteren Menschen, indem sie typische Hürden (der „Vielredner“, jene mit überhöhter Emotionalität oder überstarker subjektiver Wahrnehmungen) benennen und Interventionsmöglichkeit zum Beginn der Biographiearbeit bereits vorlegen.
Der Kern der Darlegungen findet sich im zweiten Hauptteil des Buches, den Arbeitsformen (der mit dem dritten und abschließenden Teil korrespondiert, den „Themen“ der Erinnerungsarbeit“). Von Fragerunden zu Bastelaktionen, von „fühlbaren“ Dingen bis zum Vorlesen, von Ausflügen an prägnante Orte bis zum Rollen- und Theaterspiel reicht hier die Palette möglicher Methoden. Jede der Methoden ist übersichtlich und fundiert im Buch dargestellt und auf ihre Besonderheiten hin für die Erinnerungsarbeit hin aufgebaut. Motivationselemente und Anleitungen zur Steuerung des Prozesses finden sich hier ebenfalls in ausreichendem Maße, wie durch eingestreute Verweise auf die Praxis die Vorschläge der Methoden an Plastizität gewinnen.
Diese Methoden nun mit wesentlichen biographischen Themen zusammenzubringen, dem dient der letzte, thematisch aufgebaute Teil des Buches. Familienleben, Schulzeit, Feiern und Feste des Lebens, die zentralen „Eckpunkte“ der Liebe, der Partnerschaften, für alle Sinne bieten die Autoren kreative Methoden, Angebote, Fotoarbeiten, Fassbares und Fühlbares genauso, wie kognitive Erinnerungsansätze. Durch das Zusammenbringen von Handlung, Verstand, sinnlicher Erfahrung und Emotion eröffnet sich ein breites Programm, das als Handreichung für im Bereich Tätige hervorragend nutzbar in diesem Buch vorliegt.
Alles in allem eine breite, praxisorientierte und fundierte Darstellung der biographischen Arbeit mit älteren und alten Menschen, die eine Vielzahl an umgehend durchführbaren Methoden verständlich aufbereitet bietet.