Rezension zu "Wie man jede Lüge erkennt" von Pamela Meyer
Schön wäre es gewesen, wenn ich zur Aufdeckung dieser Täuschung die Methode der Autorin benutzt hätte. Doch ich musste nur bis zur Seite 18 lesen, um meine Vermutung bestätigt zu sehen. Dort steht nämlich, dass ich mit den Techniken dieses Werkes meine Lügen-Entlarvungs-Trefferquote um 25 bis 50 Prozent verbessern könne. Und an einer anderen Stelle kann man nachlesen, dass wir besser eine Münze werfen sollten, als zu versuchen, Lügen zu enttarnen, denn viel besser als dabei wäre gewöhnlich unsere Erfolgswahrscheinlichkeit ohne dieses Buch auch nicht, was uns dann in der Konsequenz auch mit ihm ziemlich weit von der maximalen Quote aufprallen lässt. Aber um Marketing-Lügen geht es in diesem Werk nicht, auch nicht um Höflichkeitslügen.
Leider habe ich erst gegen Ende des Buches bemerkt, dass es eigentlich nicht für den privaten Gebrauch geschrieben wurde, sondern sich an Führungskräfte in Unternehmen richtet, die lernen sollen, Täuschungen und Geheimnisverrat vorzubeugen oder sie zu entlarven. Das ist offenkundig auch das Gebiet, auf dem die Autorin arbeitet.
Frau Meyer sagt von sich, dass sie weder Wissenschaftlerin, noch Psychologin sei. Im ersten Teil ihres Buches versucht sie alles, was sie zum Thema Lügen weiß, an den Leser zu bringen. Der wird deswegen mit einer Fülle von Untersuchungsergebnissen, Statistiken, allgemeinen Erkenntnissen, neuesten Forschungsergebnissen und allgemeine Entlarvungstechniken bombardiert, ohne dass er einen großen Plan erkennen kann. Zudem enthält der Text viele grau unterlegte Einschübe, die den Lesefluss noch zusätzlich stören.
Die Autorin berichtet zunächst (komischerweise leicht moralisierend) darüber, dass Täuschungen zu allen höher entwickelten Lebewesen gehören und dass sogar Pflanzen auf dieses Mittel zurückgreifen. Das erste Kapitel will uns dann ohne wirkliche Begründungen einreden, dass Lügen und andere Täuschungen eine neue Plage seien.
Das folgende Kapitel befasst sich mit der Lüge in umfassender Weise. Zunächst beschwert sich die Autorin darüber, dass bereits ganz kleine Kinder schrecklich lügen würden. Dann geht sie folgenden Fragen nach: Wer lügt am meisten? Welche Arten von Lügen gibt es? Warum lügen wir? Was ist überhaupt eine Lüge? Schließlich endet das Kapitel mit einer kurzen Geschichte der Lügen-Entlarvung.
Im dritten Kapitel lernen wir ganz allgemein in Gesichtern zu lesen. Zunächst werden uns die sieben Grundemotionen verbal und mit etwas übertriebenen Posen im Bild vorgestellt. In diesem Kapitel geht die Autorin auch auf die von Paul Ekman entdeckten Mikroexpressionen ein. Sie gehören zu den neun Hinweisen auf eine vermeintliche Täuschung, die man aus dem Gesicht eines Menschen lesen kann, wenn man die sehr seltenen Fähigkeiten dazu besitzt. Mikroexpressionen laufen so schnell ab, dass man sie eigentlich nur sehen kann, wenn man sehr geübt ist oder über Videomaterial verfügt und dessen Ablaufgeschwindigkeit reduziert.
Das vierte Kapitel führt sehr kurz in die Offenbarungen der Körpersprache ein. Dieser eigentlich bereits praktische Teil des Buches wirkt etwas rudimentär im Verhältnis zu den vielen praktisch unnützen Informationen der ersten beiden recht langen Kapitel. Danach erfahren wir im lehrreichen fünften Kapitel, wie verräterisch die Sprache beim Lügen ist, wenn man weiß, worauf man zu achten hat.
Das sechste Kapitel fasst dann die vorher entwickelten Aussagen in einer Methode zusammen, die die Autorin BASIC nennt, weil jeder der Buchstaben dieses Wortes für einen Teil der Methode steht. Im Grunde ist dies die Kurzfassung einer bekannten Verhörmethode und erfordert deshalb besondere Umstände für ihre Anwendung. Zunächst muss man herausfinden, wie sich der Verdächtige normalerweise verhält, damit man einen Vergleichsmaßstab besitzt. Dann lässt man ihn erzählen und schafft dazu eine angenehme Atmosphäre, in der man keine Fragen stellen sollte, die mit ja oder nein beantwortet werden können. Je mehr der Verdächtige erzählt, umso mehr Chancen hat man, Abweichungen vom Normalverhalten festzustellen. Dann kann man Widersprüche finden, nachhaken und der Wahrheit auf die Spur kommen. Im Grunde ist das nichts Neues, wird aber hier gut vermittelt.
Mit dem siebten Kapitel beginnt der zweite Teil des Buches. Hier geht es um Lügen in wichtigen Verhandlungen, zu denen auch Bewerbungsgespräche zählen. Dieses Kapitel ist informativ, wenn man vorher noch nichts über dieses Thema gelesen hat. Erst hier habe ich so langsam begriffen, dass es der Autorin vorrangig um die Aufdeckung von Täuschungen im Wirtschaftsleben geht. Im achten Kapitel erklärt sie nämlich ausführlich und sehr gut, wie Untersuchungsverfahren in Unternehmen und Organisationen ablaufen, die sicherstellen sollen, dass diesen Strukturen kein größerer Schaden durch Verrat oder Täuschungen entstehen kann.
Im neunten Kapitel lernen Leute, die in Verantwortung stehen, wie sie Menschen um sich scharen können, denen sie wirklich vertrauen können. Das abschließende Kapitel erzählt dann noch kurz eine Geschichte aus dem tatsächlichen Wirtschaftsleben, die das Buch abrundet. Am Ende findet der Leser eine tabellarische Zusammenfassung der BASIC-Methode.
Fazit.
Dieses Buch richtet sich vorrangig an Leute, die Führungspositionen innehaben und sich vor Täuschungen schützen wollen. Leider wird das erst klar, nachdem man zwei Drittel des Buches gelesen hat. Erst das letzte Drittel des Buches ist dann wirklich überzeugend. Man merkt sehr deutlich, dass die Autorin sich hier sicherer fühlt als in den Kapiteln, deren Inhalt sie sich vorher erst selbst angelesen hat. Hätte sie sich anfangs mehr auf ihr eigentliches Ziel konzentriert und die zahlreichen überflüssigen Informationen in den Einführungskapiteln weggelassen, dann wäre ein viel besseres Buch entstanden.