Cover des Buches Kyra Kyralina (ISBN: 9783803132789)
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Rezension zu Kyra Kyralina von Panait Istrati

Der Wind liebkost auf einem Sommerfeld

von JulesBarrois vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Istrati zeigt uns mit orientalischer Fabulierlaune eine leuchtende, lebendige, weite Welt der Abenteuer, der Gewalt, der Zärtlichkeit.

Rezension

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JulesBarroisvor 8 Jahren

Kyra Kyralina - Panait Istrati (Autor), Oskar Pastior (Übersetzer), 160 Seiten, Verlag Klaus Wagenbach (4. März 2016), 17,90 €, ISBN-13: 978-3803132789

Die Geschichte beginnt an den Ufern der Donau in Braila, in unsicheren Zeiten, wohl Ende des 19. Jahrhunderts, als das Osmanische Reich sich vom Donaudelta bis zum Libanon erstreckte, wo sich Sprachen, ob Rumänisch, Griechisch, Türkisch, Armenisch oder Arabisch, mischen

Ein Junge, Adrian, wird durch eine rätselhafte Figur, ein Limonadenverkäufer mit zwei Gesichtern fasziniert: eine dunkle und hinterhältige Seele, die manchmal ein Gesicht der Güte und Ehrlichkeit präsentiert. Während sie gemeinsam von Braila zum Jahrmarkt von Slobozia reisen erinnert sich Stavru (oder Dragomir) an seine Kindheit in Rumänien, die ihn auch nach Kairo, Damaskus, Beirut geführt hat. Er erinnert sich an seine Mutter und seine Schwester Kyra, von einem eifersüchtigen Vater geschlagen und dann verschwunden.

Stavro entdeckte die Schlechtigkeit des Menschen, das Grauen hinter den Freuden, das Laster hinter der Freundlichkeit, die Gier hinter der falschen Kameradschaft. Er entdeckt auch Freundschaft, die ein Rettungsanker im Elend zu sein scheint. Es erzählt eine verschwundene Welt, eine Welt der Vielfalt, miserabel und schmackhafte zugleich, von der Melancholie eines goldenen Zeitalters, das nie zurückkehren wird. Das bunte Porträt von diesen Seiten der verschiedenen Provinzen des Osmanischen Reiches, ein Schmelztiegel der Kulturen und Sprachen, hat eine außerordentliche Anziehungskraft.

Panait Istrati entwickelt die Haupthandlung nicht chronologisch, sondern lässt sie von Stavru in der Ich-Form in drei Teilen erzählen. Er beginnt mit seiner Rückkehr nach Rumänien im Jahr 1867. Im zweiten Abschnitt erfahren die Zuhörer Adrian und Mihail ebenso wie die Leser, unter welchen Umständen der elfjährige Stavru, der damals noch Dragomir hieß, von seiner Mutter und seiner Schwester Kyra getrennt wurde. Was Stavru dann bis zu seiner Rückkehr nach Rumänien erlebte, erzählt er zuletzt.

Istratis Charaktere sind lebendige normale Menschen, die weniger als ihre volle menschliche Würde nicht akzeptieren wollen. Ihr Mut und ihre Ausdauer und ihre Vitalität verleiht ihnen die Überzeugung - auch unter den elendsten Bedingungen – dass auch nach tausend Rückschlägen ihre Unterdrückung nicht ewig dauern kann. Der Mensch wird sein Leben nicht verstehen. Seine Intelligenz nutzt ihm nicht viel. Die Tatsache, dass er sprechen kann, zeigt, dass er nicht dumm ist. Und hier überschreitet er die Grenze zum Tier, wenn es darum geht, die Not seiner Mitmenschen zu erfühlen.

Istrati zeigt uns mit orientalischer Fabulierlaune eine leuchtende, lebendige, weite Welt der Abenteuer, der Gewalt, der Zärtlichkeit, der guten Laune und der großen Freundschaften. Vor allem aber eine deutlich menschliche Welt in der Gott nur in einem abstrakten Sinn Bedeutung hat, aber sich ansonsten als ziemlich nutzlos erweist.

Kyra Kyralina ist ein Meisterwerke, ursprünglich geschrieben in Französisch von einem Mann, der sich selbst nicht als Schriftsteller betrachtet. Er schreibt mit einem immensen Talent, als ob er selber tausend Leben gelebt hätte und unsere Sprache durch die Lektüre der Klassiker gelernt hätte. Er schreibt mit Härte, mit Humor und nimmt uns mit auf eine lyrische, abenteuerliche Irrfahrt.

Wer kleine Geschichtchen in Geschichten verschachtelt in anderen Geschichten liebt, der ist bei diesem Büchlein genau richtig.

Hier geht es direkt zum Buch auf der Seite des Klaus Wagenbach Verlages

https://www.wagenbach.de/buecher/titel/1019-kyra-kyralina.html

Fragen Sie in Ihrer örtlichen Buchhandlung nach diesem Buch. Wenn Sie in meiner Gegend „Landkreis Merzig-Wadern“ leben, dann wenden Sie sich an die Rote Zora: http://www.rotezora.de

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