Man kann es nicht mehr so genau sagen, wann es genau begann sich in die Gemüter und in das Bewusstsein so manches kritischen Zeitgenossen einzuschleichen, jenes Gefühl, dass die bisherigen Sicherheiten zu bröckeln begannen und sich verflüchtigten. Kaum eine bisher schlüssige Gesellschaftanalyse griff noch, was lange gültig schien, wurde hohl und nichtssagend. Die political correctness gewann an Macht und die Politiker entwickelten eine Form der „new speech“, die die Menschen nur noch verdummen sollte.
Der bisher kritische Zeitgenosse war verunsichert bis ins Mark. Wenn er genau zurückdenkt, dann identifiziert er den 11. September 2001 als den Anfang einer Entwicklung, die er bis heute fassungslos und mit immer weniger schlüssigen Erklärungsmodelle ausgestattet genötigt ist, erst einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Die Welt ist aus den Fugen geraten, die westliche und der Aufklärung verpflichtete, auf dem Boden der jüdisch-christlichen Tradition gebaute Kultur und Demokratie hat schon lange ihren Vorbildcharakter für andere Länder und Gesellschaften verloren. Und so stehen die großen westlichen Ländern ratlos vor einer Weltentwicklung, in der nun auch die bisher so stabil und für die Ölversorgung wichtig geglaubten Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens eigene Wege gehen, deren Ziel oder gar Ende niemand kennt. Der Westen ist machtlos gegenüber Zuständen, wie wir sie in Europa und den USA seit vielen Jahrzehnten überwunden haben.
Für Parag Khanna, einen der führenden Experten in der Welt für Geopolitik und internationale Beziehungen, der schon 2008 in seinem Buch „Der Kampf um die Zweite Welt. Imperien und Einfluss in der neuen Weltordnung“ diesen Entwicklungen nachgegangen war, ist es Zeit, dass die Welt sich darauf einstellt, dass sie vor einem zweiten Mittelalter steht. Das jedenfalls behauptet er in seinem neuen, hier vorlegenden Buch, in der aufzeigt „Wie man die Welt regiert“ und „eine neue Diplomatie in Zeiten der Verunsicherung“ in ihren Grundzügen entwirft und beschreibt.
Er sieht eine lange und von Unruhen geprägte Epoche heraufziehen mit „ständig wechselnden Machtkonstellationen, wirtschaftlicher Unsicherheit und einer Vielzahl schwelender Konflikte.“ Das liest sich sehr plausibel, denn schon jetzt erleben wir ja seit vielen Jahren, wie die Fragen etwa des Klimawandels, der atomaren Bedrohung und des Terrorismus die eingeübten und lange bewährte Praxis der Staatendiplomatie überfordert. Ethnisch- religiöse Konflikte, oder quasi über Nacht entstehende Entwicklungen wie jetzt in Nordafrika können mit der herkömmlichen Diplomatie nicht mehr bewältigt werden.
Khanna plädiert für eine völlig neue Sicht und die Einbeziehung weiterer Mitspieler beim Krisenmanagement der Zukunft, NGOs, Großunternehmen und Weltbürger wie Bill Gates und George Soros können mehr beitragen als man heute für möglich hält.
Ein wichtiger politischer Beitrag zum Verständnis und ein Versuch zur Erklärung einer multipolaren Welt, die kaum jemand mehr versteht, die aber dennoch soviel diplomatisches Handeln erfordert wie nie zuvor.