Diesen Roman aus den 1980ern fand ich in der Wühlkiste - und was für ein Fund war er! Der Klappentext wie das Cover verkaufen einem die Lektüre als Fantasy-Thriller; wer sich Action erwartet, wird aber enttäuscht. In Wirklichkeit ist das Ganze ein psychologisches Drama mit Elementen des Magischen Realismus'. Elizabeth, eine Archäologin, gräbt gerade eine Maya-Stadt aus, als ihre Tochter Diane untervermittelt auftaucht. Die beiden haben sich seit der Scheidung von Elizabeth und Robert kaum gesehen, doch jetzt ist Robert gestorben und Diane sucht neuen Halt in ihrem Leben - und endlich Klarheit darüber, was wirklich während der Scheidung und später mit Elizabeth geschah. Elizabeth hat ein Geheimnis: sie kann in die Vergangenheit sehen und für sie ist die Maya-Stadt voller Geister der früheren Bewohner. Doch dann taucht plötzlich ein Geist auf, der Elizabeth anspricht...
Die Erzählperspektive wechselt von Kapitel zu Kapitel zwischen den Innenperspektiven Elizabeths und Dianes. Dadurch werden wir sehr intensiv mit deren Gefühlsleben und ihrem Charakter vertraut. Und wirklich rollt der Roman über große Teile erst einmal zwei Dramen auf: was sich in der Vergangenheit abspielte, und wie Diane und Elizabeth jetzt zueinander finden könnten. Gespiegelt wird das mit dem Geist der Hohepriesterin und ihrer Tochter. Der Plan, den die Hohepriestern für Elizabeth und deren Tochter hat, führt dazu, dass deren innere Dramen nun zum Ausbruch kommen. So ist der Höhepunkt der Handlung auch kein actionreiches Finale, sondern eine letzte Auseinandersetzung beider Mutterfiguren mit ihren Töchtern.
Das mag jetzt ein bisschen langweilig klingen, aber der Roman ist trotz seines hohen Niveaus auch so mitreißend, spannend und klar wie evokativ geschrieben, dass die Seiten nur so fliegen. Eine Genuss!