Cover des Buches Der Komponist und seine Richterin (ISBN: 9783827009159)
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Rezension zu Der Komponist und seine Richterin von Patricia Duncker

Rezension zu "Der Komponist und seine Richterin" von Patricia Duncker

von Ailis vor 14 Jahren

Rezension

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Ailisvor 14 Jahren
Wer zu Dunckers Roman "Der Komponist und seine Richterin" greift, sollte sich nicht zu sehr auf genüssliche Lesestunden freuen, in denen man als Leser ganz in einer Geschichte und ihrem Fortgang aufgeht - das hier ist keine reine Unterhaltungsliteratur. Vielmehr haben wir es hier mit einem Buch zu tun, das Literatur als Kunst betrachtet und nicht als Mittel, Abbild einer möglichen Wirklichkeit zu sein. Und so geht es auch nur nebenbei um die Lösung der Mordfälle, der Fokus des Romans ist eindeutig auf Fragen und Antworten philosophischer Natur gerichtet. Die Richterin in diesem Roman ist Dominique Carpentier. Sie ist Ermittlungsrichterin, das heißt, sie arbeitet der Staatsanwaltschaft zu, und ist bekannt als die "Sektenjägerin". Daher wird sie von Kommissar Schweigen auch hinzugerufen, als am Neujahrstag die Leichen eines Massenselbstmordes in der Nähe eines Chalets in Frankreich im Schnee gefunden werden. Für Carpentier und Schweigen ist dies nicht die erste Begegnung mit dieser Sekte, die sich schlicht "Der Glauben" nennt. Vor einigen Jahren gab es einen ähnlichen Fall in der Schweiz, auf dessen Lösung sie wegen des Kompetenzgerangels mit den Schweizer Kollegen jedoch kaum Einfluss hatten. Nun, wo der kollektive Selbstmord der Sekte in Frankreich stattgefunden hat, setzen die beiden alles daran, dieser Glaubensgemeinschaft auf die Schliche zu kommen. Im Rahmen dieser Ermittlungen lernt die Richterin dann auch den Komponisten Friedrich Grosz kennen, dessen Name immer wieder auftaucht und der einer der geistigen Führer der Sekte zu sein scheint. Dominique, die sich nur von der Vernunft alleine leiten lässt, immer gefasst und kontrolliert ist und alles auf nüchtern analytische Weise zu betrachten pflegt, droht dem Charisma dieses Mannes zu erliegen, der ihre Vorstellungen von Moral, von richtig und falsch, auf die Probe stellt. Sie spürt, dass es immer schwieriger wird, ihre Distanz zu wahren und schlittert tiefer in dieses Konstrukt "Sekte" hinein, als ihr lieb sein kann. Dunckers Sprache wirkt teilweise sperrig und zu schwer für diese Geschichte. Dieser Eindruck wird von den immer wiederkehrenden Wechseln der Erzählperspektive und den französischen Einwürfen noch verstärkt. Die Dialoge sind lediglich weitere Transportmittel für tiefgehend philosophische Gedanken, ein reales Gespräch würde so wahrscheinlich nie ablaufen. Auch die Figuren und ihre Beziehungen zueinander wirken sehr befremdlich, was den Leser dauerhaft auf Distanz hält, er findet sich nirgendwo auch nur in Ansätzen wieder. Dieser Roman ist definitiv sehr gehaltvoll und hintergründig, doch der profane Kriminalfall will nicht so recht in dieses Gefüge passen. Die Vermischung dieser beiden Motive ist in meinen Augen leider nicht gelungen, denn egal, wie man es gewichtet, eins von beiden wird immer darunter leiden und den Leser lässt es ernüchtert und unzufrieden zurück.
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