Cover des Buches Der talentierte Mr. Ripley (ISBN: 9783257234046)
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Rezension zu Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith

Unter der Sonne Italiens

von AimeeRossignol vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Steckt nicht ein bisschen Tom Ripley in uns allen?

Rezension

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AimeeRossignolvor 6 Jahren
Es ist schon ein paar Jahre her, ich war zarte 16 Jahre alt und und stand vor dem heimischen Bücherregal, als mein Blick auf ein braunes gebundenes Buch fiel, dessen Einband fehlte. Auf dem Rücken stand nur "Der talentierte Mr. Ripley". Ein Titel, der mich gleichermaßen faszinierte und ratlos machte. Hastig zog ich es hervor und begann meine Lektüre an einem dieser leeren Sonntagnachmittage, in denen die schräg stehende Sonne erste deprimierende Schatten des kommenden Schultages auf die Dielen malte.

Ich wusste nichts über das Buch und kannte auch die Autorin nicht. Und so brach ich mit Tom in New York auf, machte mich auf die Reise nach Italien, fand mit ihm in Mongibello den Millionenerben Dickie Greenleaf und seine illustren Freunde, freundete mich mit ihm an, lernte, ihn zu beneiden, zu fürchten und zu bewundern.
Ich nahm an diesem Tag das Buch mit in die Badewanne und abends mit ins Bett.
Um weiterlesen zu können, simulierte ich am nächsten Tag erfolgreich eine Unpässlichkeit und ließ mich von meiner Muter mit Tee und Zwieback füttern, während Toms und Dickies Schicksal seinen Lauf nahm, Tom über Rom und Venedig nach Griechenland flüchtete.

Ich glaube nicht, dass ich mich in diesem zarten Alter einem fiktiven Charakter schon einmal näher gefühlt habe. Und auch wenn mich Tom häufig verstörte, blieb ich dicht an seiner Seite und konnte ihn nicht vergessen. Jahre später erst begriff ich, was für einen Soziopathen ich mir da als Begleiter angelacht habe.
Patricia Highsmith versteht es, die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn so eng zu ziehen, dass sie verschwimmen, dass eine in das andere schwappt und man begreift, dass jeder ein bisschen Tom Ripley ist.

Bewundernswert ist, dass sie einen Charakter schuf, den man trotz all seiner Unzulänglichkeit ein klitzekleines Bisschen (in meinem Fall weit mehr als das) mögen muss, wenn man ehrlich ist.



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