Ohne die Exploitationskampagnen seit den westindischen Abenteuern des Kolumbus wäre Europa zu schwach, um auch nur eine Grenze zu halten. Die alten Kolonialreiche erheben als Demokratien weiterhin Anspruch auf Überlegenheit. Sie wollen, so sagt es Patrick Chamoiseau, „Elend, Terror und Armut“ an einem anderen Ende der Welt „anpflocken“. Jahrhundertelang konnten sie vom Youth Bulge über die Lohnkosten und den Müll bis zu ihren Schwerverbrechern Belastungen exportieren und sonst wo vergesellschaften. Oft waren Verworfene die ersten Weißen an fernen Gestaden. Sie brachten das große Projekt der Zivilisation. Nun formuliert sich der europäische Standpunkt auf einem Berg von Leichen, der zur Abschreckung täglich im Fernsehen gezeigt wird. Chamoiseau schildert Massengräber der Hoffnung, ausgehoben von Schergen an der Peripherie. Er findet traumhaft schöne Bilder für das Grauen. Die Migranten geraten aus Metropolen in ewignächtliche Randgebiete. Chamoiseau entdeckt die Wüsten von Europa. Der in Calais planierte Dschungel bricht durch den Asphalt der Pariser Boulevards.
http://www.zeit.de/video/2017-07/5500705715001/calais-was-aus-dem-dschungel-geworden-ist
Auch dieser Dschungel ist eine europäische Lektion so wie „die vielen kleinen Menschen, von Geburt Staatenlose, Unberührbare, ewige Parias, nirgends zugehörig, verbannt in das Reich der Medusen und gesunkenen Boote“.
Chamoiseau erwähnt die Ausdauer der Migranten. Sie ist das stärkste Streitmittel einer neuen Bürgerrechtsbewegung, so sagt es Hilal Sezgin, sich auf Angela Davis berufend in „Nichtstun ist keine Lösung“. https://www.lovelybooks.de/autor/Hilal-Sezgin/Nichtstun-ist-keine-L%C3%B6sung-1453722252-w/rezension/1493967420/
Chamoiseau erklärt das Internet zum Gehör der Welt. Es versende, „was die Bestie gerissen und gefressen hat“. Für die Barbaren gäbe es keine Insel der Seligen mehr, wo sie ungestört schalten können. Das ist bestimmt zu optimistisch. Chamoiseau besteht darauf, ermutigend zu wirken: „Die Mondialität ist eine Ahnung, von der die gesamte Menschheit in ihrer Diversität ergriffen wird, und die über die Erde in ihrer Weite und Tiefe hinweg alle miteinander verbindet.“
Patrick Chamoiseau
4,5 Sterne bei 2 Bewertungen
Autor*in von Migranten, Die Spur des Anderen und weiteren Büchern.
Lebenslauf
Patrick Chamoiseau, geboren 1953 auf Martinique, studierte in Frankreich Recht und Sozialwirtschaft und arbeitete zunächst als Sozialarbeiter. Er zählt zu den wichtigsten Schriftstellern der Karibik. In seinen zahlreichen Texten beschäftigt er sich hauptsächlich mit der kreolischen Kultur und seiner Herkunftsinsel Martinique. Für seinen Roman Texaco erhielt er 1992 den Prix Goncourt, den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs. Sein Roman Die Spur des Anderen (Wunderhorn 2014) kam 2015 auf die Shortlist des Internationalen Literaturpreises des Haus der Kulturen der Welt.
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Patrick Chamoiseau
Die Spur des Anderen
Erschienen am 07.05.2014
Migranten
Erschienen am 01.09.2017
Eloge de la créolité
Erschienen am 13.05.1993
L'empreinte à Crusoe
Erschienen am 10.10.2013
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