Cover des Buches New World - Die Flucht (ISBN: 9783473584130)
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Rezension zu New World - Die Flucht von Patrick Ness

Der Junge, der nicht töten konnte

von loveisfriendship vor 10 Jahren

Rezension

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loveisfriendshipvor 10 Jahren
Der Junge, der nicht töten konnte

Wie bringt man den Mitleidigen dazu, zu töten? Patrick Ness entführt uns in New World – Die Flucht in eine Welt, in der der größter Triumph ist, auch den Unschuldigsten zu verderben.

Nach Sieben Minuten nach Mitternacht und Mehr als das gehört Patrick Ness zu meinen Lieblingsautoren. Beide Romane waren sehr aufwühlend, emotional berührend und nachdenklich stimmend. Auch New World – Die Flucht, dem ersten Band seiner Zukunftstrilogie, würde ich diese Attribute zusprechen. Doch warum mich Patrick Ness mit diesem Buch nicht ganz überzeugen konnte, werde ich in dieser Rezension erklären.

Zum Inhalt werde ich nicht viel verraten, da es bei Werken aus Patrick Ness‘ Feder häufig so ist, dass sich viele Dinge erst im Laufe der Handlung ergeben und die Protagonisten am Anfang oft unwissend sind. So sollte auch der Leser vor Beginn sein.

Todd lebt in Prentistown, New World. Über der Stadt liegt eine Beklemmung. Alle Frauen sind tot und die Männer hat ein Virus befallen, der ihre Gedanken offenlegt, nirgendwo ist es still. Bald schon muss Todd fliehen, denn er weiß noch längst nicht alles über seine Heimat.

Auch hier behandelt Patrick Ness wieder zeitgenössische Themen in Form einer Dystopie. Es geht unter anderem um Beeinflussung durch (falsche) Informationen, den Umgang von uns Menschen mit der Erde, totale Vernetzung, Ausspionierung des Einzelnen, Gruppenprozesse und allgemein den Wahnsinn und die Grausamkeit der Menschen.

Was Patrick Ness kann, ist, sich in Jugendliche hineinzuversetzen und einzufühlen. Er erschafft für Jugendbücher eher untypische Figuren. Denn es sind realistische, nicht immer „moralisch korrekt“ handelnde Personen. Sondern menschliche.
Es gibt einige berührende Szenen und besonders Manchee habe ich sehr ins Herz geschlossen. Es geht auch um wahre Freundschaft, Zusammenhalt, Aufopferung und was man für eine andere Person zu tun bereit wäre.

Nun zu den negativen Aspekten, die man so und so sehen kann.
Zum einen wäre da die Sprache. Ich habe sie insgesamt als schwach empfunden, was natürlich auch teilweise an der Übersetzung liegen mag. Zwar schreibt Patrick Ness aus der Sicht eines Zwölfjährigen, doch das Ganze war stellenweise selbst in Anbetracht dieser Begründung zu flach. Ich bin nicht in die Sprache reingekommen, wobei ich mit Patrick Ness‘ Sprache in den vorher von mir gelesenen Büchern keine Probleme hatte. Nur selten zeigt er in New World – Die Flucht sein durchaus vorhandenes sprachliches Können.

Dazu stört mich die Darstellung der Gewalt. Sie erfolgt zu plastisch, zu ausführlich. Auch hier könnte man argumentieren, dass der Autor darstellt, wie die Protagonisten die Gewalt empfinden – als abscheulich, beängstigend und abstoßend. In dem Buch geht es auch um die Frage: Wozu bin ich fähig? Und darum, wie schlimm es ist, jemanden zu töten. Dennoch war es mir, gerade für ein sogenanntes „Jugendbuch“ zu anschaulich.

Nun zum größten Schwachpunkt des Buches.
Und das ist schlichtweg die dramaturgische Umsetzung, die Handlung. Das Einzige, was im Mittelteil passiert, ist: Der Junge ist auf der Flucht. Dann wird er aufgespürt. Es kommt zum Kampf. Der Junge entkommt. Er wird erneut aufgespürt. Und das über fast dreihundert Seiten. Immer, wenn da Sätze standen wie: „Er hörte ein Geräusch.“, wusste ich: Ah, jetzt kommt wieder ein Angriff – und meistens auch noch von derselben Person, die unlogischerweise ziemlich viel überlebt und die Protagonisten immer wieder aufspürt. (Auch hier gibt es einen Grund: Der Protagonist kommt in verschiedene Situationen, wo er die Möglichkeit hätte, seinen Widersacher zu töten. Die Wiederholungen ergeben einen Sinn.) Leider kam dieser Satz gefühlt alle zehn Seiten nach dem vorherigen Angriff.
Allein mit schnellen Schnitten erzeugt man keine Spannung und erst recht keine gute Geschichte. Die Handlung ist mir daher in bestimmten Punkten zu simpel gestrickt. Es wurde banal, ermüdend und nervig. Ein wenig Ruhe hätte der Handlung gut getan. Sie ist viel zu rasant, ungeordnet und wirkt konzeptionslos.

Dies hat mich teilweise an die Schwächen von Mehr als das erinnert, wo im letzten Drittel immer das „Unding“ aufgetaucht ist. Entweder meint Patrick Ness, gute Geschichten müssten nach diesem Schema sein – oder aber er kann es nicht anders.

Das Ende hat mich überrascht. Zum Ende hin hat die Handlung mehr Form und die Geschichte wird deutlich greifbarer.

Fazit: New World – Die Flucht ist düster und brutal, aber mit Hoffnung. Es behandelt wichtige und interessante Fragen. Auch die Charaktere und die Grundidee sind gelungen. Aufgrund der teilweise zu bildhaft dargestellten Gewalt und der teilweise mangelhaften Handlung hat es mich allerdings nicht vollständig überzeugt. Dennoch vergebe ich, wenn auch knappe, 3 von 5 Sternen.
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